Liebe Freunde und Kollegen,
am letzten Freitag, nein es war nicht der 13., sondern der 7., kam schlechte Kunde aus Wiesbaden: klammert man die Shut-down-Periode der Industrie im 1. Halbjahr 2020 mal aus, dann fiel die Industrieproduktion im Schlussmonat 2024 auf den tiefsten Stand seit dem Allzeithoch vom November 2017. Fast ein Sechstel (17,1 Prozent) liegt die Ausbringung der deutschen Fabriken nun niedriger und die Flaute dauert nunmehr sieben lange Jahre an. Dass das im Wahlkampf nur am Rande auftaucht, ist für mich eine Unverständlichkeit. Sicher, auch die ungesteuerte Migration ist ein wichtiges Thema, die Dauerkrise der Industrie aber auch. Denn von der leben wir. Ich kann nur immer wieder daran erinnern, was eine fatale Mischung aus Industriefeindlichkeit, irrer Bürokratie und hohen Energiepreisen da anrichten.
Wenn es noch eines Beispiels bedarf, bitte sehr. Besonders unter Druck: die deutschen Autoanbieter. Statistisches Bundesamt: „Die negative Entwicklung der Produktion im Dezember 2024 ist insbesondere auf den Rückgang in der Automobilindustrie (saison- und kalenderbereinigt -10,0 % zum Vormonat) zurückzuführen.“ Und dazu eine kleine Geschichte. Der chinesische Elektroautohersteller BYD will mit einem Coup aufwarten: mindestens 21 Elektroautomodelle sollen mit einem System für halbautonomes Fahren ausgestattet werden. Und der Clou: das Ding ist für den Käufer ausgesprochen günstig in der Anschaffung.
Zumindest aus dem chinesischen Festland soll man mit dem Autopilotsystem auf Autobahnen navigieren und in der Stadt selbstständig einparken können. Das ist im Grunde noch nichts Besonderes, solche Fähigkeiten besitzen auch Systeme in westlichen Karossen, nur sind die halt viel teurer. Bei einer Mercedes-Limousine gibt es dieses Angebot nur im Rahmen eines Premium-Pakets, das kostet 13.375,60 Euro.
Umgekehrt will der weltgrößte E-Auto-Anbieter aus Shenzen zum Beispiel auch sein Modell Seagull mit dem neuen, technisch ADAS, eingängiger „God’s Eye“, genannten Fahrerassistenzsystem ausrüsten. Dieser Pkw ist in China schon für umgerechnet rund 10.000 Euro zu haben. Das ist weniger als das Mercedes Komfortpaket. God’s Eye „wird eine neue Ära einläuten, in der alle Kunden Zugang zu intelligentem Fahren haben“, freut sich BYD-Gründer und Chef Wang Chuanfu.
(Quelle: SCMP, 10.2.25, https://www.scmp.com/business/china-business/article/3298118/byd-add-autopilot-system-evs-gain-edge-amid-chinas-price-war und: https://www.autohaus.de/nachrichten/autohersteller/byd-seagull-guenstig-nur-in-china-3369382 und: https://www.spiegel.de/auto/vw-was-das-volks-e-auto-von-volkswagen-leisten-muss-a-41934b3d-adcf-4ab9-a2db-0f9345f120f0 )
Da wird sich VW warm anziehen müssen. Die Wolfsburger basteln an einem E-Auto, das als Einstiegsmodell für 20.000 Euro – also das Doppelte – zu haben ist. Im März will Markenchef Thomas Schäfer den Kleinwagen vorstellen und ab 2027 anbieten. Das klingt nach spät, vor allem aber ist kaum davon auszugehen, dass der Billig-Pkw preisbedingt ein Höhepunkt der elektronischen Ausstattung sein wird. Heißt: die einst so erfolgsverwöhnten deutschen Autobauer hängen in der Preisgestaltung und der Geschwindigkeit der technologischen Neuerung zurück.
Themenwechsel. Noch ein kleiner Nachklang zur These in der gestrigen Mail, dass die grüne Welle langsam im Abklingen sei. Die Propagandisten der neuen Nachhaltigkeitswelt geben sich von solchen Vermutungen natürlich unbeeindruckt. Da hat der Brüsseler Thinktank „Good Food Institute Europe (GFI)“ dem Beratungsunternehmens Systemiq den Auftrag zu einer Studie gegeben, welche Zukunft der Industrie der Fleisch- und Milchalternativen bevorsteht. Und – wenig verblüffend – ist es natürlich eine sehr gute.
2045 könne die Branche bis auf 65 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung kommen und 250.000 neue Arbeitsplätze schaffen. So jedenfalls die Untersuchung „A Taste of Tomorrow: Wie die Proteindiversifizierung Deutschlands Wirtschaft voranbringen kann“. In einem der drei Zukunftsszenarien könnte allein der heute noch mikroskopische Markt für Lebensmittel aus Soja, Pilzmyzel oder Zellkulturen von 2,2 Milliarden Euro (2023) auf gut das Zehnfache anschwellen. Das entspricht etwa 10 Prozent des heutigen Umsatzes der Ernährungsindustrie. Für all das braucht man nur ein wenig Unterstützung von der Politik, dann entsteht bei uns eine Hightech-Branche von Fermenter zum Teller.
(Quelle: SPIEGEL, 10.2.25, https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/fleischersatz-veggie-produkte-koennten-250-000-jobs-schaffen-deutschland-bald-marktfuehrer-a-5b230e99-0ee6-4b3b-98be-de361f2dea9d und: https://www.systemiq.earth/economic-potential-alternative-proteins/#deutsch )
Das Märchenerzählen will kein Ende nehmen. Sie erinnern sich, einst galt es als ausgemachte Sache, dass hierzulande eine blühende Industrie für Solarzellen hochqualifizierte Arbeitnehmer anlocken würde. Selbst die Börse griff das Thema damals auf – bis alle großen Anbieter pleite waren. Können Sie sich noch an den damals strahlenden Namen SolarWorld und deren schillernden Chef Frank Asbeck erinnern? Der machte allen Ernstes 2008 General Motors das Angebot, Opel abzukaufen und zum „ersten grünen europäischen Autokonzern weiterzuentwickeln“. Dafür wollte er dann allein von GM eine Mitgift von einer Milliarde Euro haben, der deutsche Staat sollte für Kredite bürgen. 2011 rutschte seine Firma in die Verlustzone, im April 2013 war das Eigenkapital verloren, im Mai 2017 gab es nach zwischenzeitlicher Umstrukturierung die erste Insolvenz, im September 2018 wurde der Rest der Produktion eingestellt. Heute kann man die Aktie für 13 Cents Erinnerungswert kaufen.
Dann galten zum Beispiel Wärmepumpen als das Non plus ultra. Die alten Füchse der Familie Viessmann nutzten damals den Hype und verscherbelten 2023 die Klimasparte ihres Heizungsimperiums für stolze 12 Milliarden Euro an die US-Firma Carrier Global. Ob die flotten Käufer damit glücklich werden steht dahin, denn der Boom für Wärmepumpen flaut gerade wieder mächtig ab und ob ihr großer Propagandist nach dem 23. Februar im Amt bleibt, ist auch zumindest nicht gewiss. Verkaufte die Branche 2023 einen Rekord von über 80.000 Anlagen, waren es 2024 die Hälfte weniger.
(Quelle: https://www.manager-magazin.de/unternehmen/viessmann-schliesst-verkauf-der-klimasparte-ab-a-26083d72-b852-4267-8863-50f363c9f3b3 und: https://www.waermepumpe.de/fileadmin/user_upload/Diagramm_AbsatzzahlenWWP_2018-2024.png und: https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de
Grüner Stahl, Green Gas, immer locken gigantische Märkte. Die Technokraten in Brüssel taxierten den Finanzbedarf für ihr Superprojekt, bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr auszustoßen, auf schlappe 1,8 Billionen Euro. Jede Erfahrung sagt, dass es immer viel, viel mehr werden als geplant. Woher das Geld dafür kommen soll ist nur sehr, sehr vage angedacht. Bisher ist aus vielen der nachhaltigen Luftschlösser nicht viel geworden. Nun sollen wir also unseren Mittagstisch aus dem Labor beschicken lassen. Das mit den Mehlwürmern habe ich ihnen ja schon gestern geschrieben. Muss man halt mögen und vor allem glauben.