Liebe Leser,
über der heimischen Politik, dem weltpolitischem Hin und Her, Trump, Scholz und Merz sollte man auch die kleinen Dinge des Alltags nicht vergessen. Wie beispielsweise meine geliebte Gastronomie. Wie hat es sie in den letzten Jahren mit Corona, Fachkräftemangel und Preisschüben nach dem Beginn des Ukrainekrieges doch durcheinandergewirbelt. Zeitweise war alles zu, konnten die Gastronomen sogar nur außer Haus an Maskenträger verkaufen. Da interessiert vielleicht ein Blick auf die gastronomische Produktion, also was abseits aller Preisverschiebungen vom Edelrestaurant bis zur Pommesbude den Gästen angeboten wurde. Zunächst das Bildchen dazu.
(Quelle: Dehoga, https://www.dehoga-bundesverband.de/zahlen-fakten/ )
Sie sehen, dass die alten Zeiten, hier aufgefangen als Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 vor dem Corona-Schock, immer noch nicht wieder erreicht werden konnten. Im Schnitt futterten die Gäste von 2022 bis 2024 gut neun Prozent weniger in gastronomischen Betrieben. Ich bin daran sicherlich mit meinem Eheweib nicht schuld, bei uns ist Futtern sozusagen Leidenschaft. Aber offenbar hat der Rückgang der Realeinkommen (Lohnsteigerungen minus Inflation) sein Werk getan. Den Leuten saß bei Appetit das Geld nicht mehr so locker. Kann ich nur hoffen, dass sich das mit steigenden Realeinkommen wieder legt, nicht dass das Angebot weiter schrumpft. Wäre schade, ich möchte die Kochkünste der bundesweit 15.318 Köche und 146.251 Gaststättenbetriebe nicht missen.
Wenn wir schon mal beim Alltag sind. Die Ehepaare werden rar, jedenfalls wenn es um den standesamtlich abgesegneten Anteil geht. Waren vor drei Jahrzehnten noch rund 60 Prozent der Erwachsenen ab 18 Jahren verehelicht, sind es inzwischen nur noch 50 Prozent. Und wenn sich der Trend der ersten 10 Monate 2024 ganzjährig fortgesetzt hat, dann könnte letztes Jahr auch der niedrigste Stand an Eheschließungen der Nachkriegszeit erreicht worden sein. Denn bis Oktober verzeichneten die Standesämter 3,1 Prozent weniger Trauungen als im Vorjahreszeitraum.
(Quelle: destatis, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kindertagesbetreuung/_inhalt.html und: https://www.welt.de/vermischtes/article255334202/Immer-weniger-Menschen-in-Deutschland-sind-verheiratet.html )
Da in der Vergangenheit die Bereitschaft zur Nachwuchsplanung immer recht eng mit den Eheschließungen zusammenhing, habe ich Ihnen die Geburtenzahl – sozusagen als Zugabe – auch noch in die Grafik als rote Linie mit eingemalt. Unsere Sozialpropheten hatten uns ja weiszumachen versucht, dass man nur genug Kitas schaffen müsste und schon wäre der Nachwuchs wieder „in“ und die Emanzipation auf dem Vormarsch. Inzwischen gibt es rund 60.700 Kindertagesstätten, in denen 3,9 Millionen Kinder betreut werden. Sehen Sie da in der Grafik einen positiven Einfluss? Märchenerzählen allerorten.
Und noch ein Letztes zum Alltag, diesmal der eines deutschen Mittelständlers. Seit 1884 bäckt die Familie von Hans-Günter Trockels in Soest. Aus einer Bäckerei ist dabei die Firma Kuchenmeister mit über 1.000 Beschäftigten erwachsen. Sie stellt Kuchen, Waffeln und Tortenböden her – vor allem für die Eigenmarken der großen Händler. Besonders beliebt sind Stollen und Baumkuchen, vom Band laufen aber auch die „Yes“-Torties, die Nestlé vertreibt, und die Fertigkuchen von Mövenpick.
Von der Zeitung „WELT“ befragt, was denn das Unternehmerleben des 66-jährigen am meisten behindern würde, antwortet er: „Die Bürokratie. Ständig kommen neue Verordnungen aus Brüssel und Berlin. Uns belastet aktuell etwa das Einwegkunstofffondsgesetz. Wir sollen künftig eine Abgabe auf Verpackungen zahlen. Die müssen wir natürlich in die Preise einkalkulieren, die wir mit dem Handel vereinbaren. … Die Behörden, die das vor Ort umsetzen sollen, können uns nicht sagen, wie wir das berechnen müssen. Denn Verpackung für Lebensmittel, die aus der Hand gegessen werden, werden höher belastet als solche, die zu Hause verzehrt werden. Nur: Was ist mit einem Stück Kuchen? Das können Sie unterwegs aus der Packung oder zu Hause vom Teller essen.“
(Quelle: WELT, 3.2.25, https://www.welt.de/wirtschaft/plus255304872/Mittelstaendler-packt-aus-Wir-sollten-ein-Drittel-aller-Beamten-abschaffen.html )
Und Trockels legt nach: „Das ist ja längst nicht alles. Wir müssen um die 1.500 Daten für Nachhaltigkeitsberichte ermitteln, die am Ende keiner liest. Die Zeit würde ich lieber verwenden, um die Produktion effizienter und damit energiesparender zu machen.“ Und auf die Frage, woraus denn dieses Wirrwarr seiner Ansicht nach erwachsen würde, antwortet er: „Ich kann mir das nur so erklären: Die Beamten in Brüssel und Berlin wären arbeitslos, wenn sie sich nicht jeden Morgen was Neues ausdenken würden.“
Klar, dass die Betroffenen die Hasskappe aufhaben. Trockels: „Wir sollten ein Drittel aller Beamten in Europa abschaffen, bis die Unternehmen wieder normal agieren können – ohne unnötige Bürokratie im Alltag. Ich möchte derzeit eine Biogasanlage bauen, in der man Reste aus der Produktion verwenden kann, also vor allem Fette, Eier, Mehl. Was einem da für Steine in den Weg gelegt werden, das können Sie sich nicht vorstellen. An sich sind das ja nachwachsende Rohstoffe – aber weil die aus der Produktion stammen, werden sie anders eingestuft. Daher gelten für die Anlage weitere Abstandsregeln zu den Nachbarn. Also fängt die Planung wieder von vorne an – wobei eine Genehmigung Jahre dauert.“
Die übrigen Aspekte des lesenswerten Interviews lasse ich jetzt hier mal weg. Wen es interessiert, der Link steht unter dem Zeitungsausschnitt.