Liebe Leser,
selbst die knochentrockenen Statistiker des zuständigen Bundesamtes können sich bei einem jährlich wiederkehrenden Ritual nicht einer gewissen Betroffenheit enthalten: „Im Jahr 2024 weiterhin ein Fünftel der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.“ Man sieht sie förmlich vor sich, in der Kälte vegetierende Zeitgenossen, die sich jeden Bissen vom Munde absparen müssen. Dabei müssen sie nach diesem Schmerzensschrei selbst einräumen, dass diese bittere Armut von 17,9 auf 17,6 Millionen gesunken sein soll. Doch immer noch verbleiben allein 13,1 Millionen Menschen mit Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze.
Aber wie sind die Voraussetzungen für all diese traurigen Zahlen definiert? Eine Person gilt in der Europäischen Union (EU) als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Bedingungen zutrifft: das Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze, der Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen oder er existiert mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung. Offenbar ist das zu geringe Einkommen der Hauptfaktor. Nach der europäischen Definition EU-SILC gilt eine Person als armutsgefährdet, wenn sie nur über weniger als 60 Prozent des mittleren Äquivalenzeinkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. 2024 lag das beispielsweise für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern bis 14 Jahren bei netto 2.893 Euro im Monat. Mist wenn man davon nur 60 Prozent gleich 1.76 Euro oder weniger vereinnahmt.
(Quelle: destatis, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2025/01/PD25_036_63.html )
Nun würden große Teile der Welt diese Armen in deutschen Landen immer noch beneiden, wenn sie da halbwegs rankämen. Doch weiter: kann ein Wenigverdiener mit seinem Einkommen der allgemeinen Einkommensentwicklung nicht folgen, dann rutscht er wegen der Koppelung möglicherweise unter die Armutsgrenze, obwohl er keine Einbußen hat oder gar (zu wenig) mehr verdient. Aber noch etwas kommt hinzu. Von 2011 bis zum auf Basis der ersten 10 Monate geschätzten 2024 sind netto 8,3 Millionen Ausländer nach Deutschland hinzugekommen. Die waren zum Teil bitter arm – aus Afghanistan oder so – und hatten eine schlechte Ausbildung, fast die Hälfte (45,3 Prozent) gar keinen berufsqualifizierenden Abschluss.
(Quelle: Dashboard Integration, https://www.dashboard-integration.de/integration und: https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/neue-expertise-zu-wohnarmut/ )
Da sind nun mit Sicherheit ein paar darunter, die sich in das Heer der Armutsgefährdeten eingereiht haben. So gesehen würde ich es als einen Erfolg ansehen, das vier Fünftel der Bevölkerung nach Ansicht der Statistiker keine Armutsgefährdung erleiden müssen. Nichtsdestotrotz entdeckt zum Beispiel „Der Paritätische Gesamtverband“ mit seinen über 10.000 eigenständigen Organisationen im Zahlengeschehen immer neue Arme. Letzten Dezember kam die Rechnerei auf sage und schreibe gut fünf Millionen Unentdeckte: „Das Ausmaß der wohnkostenbereinigten Armut ist viel höher: Die Paritätische Forschungsstelle hat errechnet, dass 5,4 Millionen Menschen mehr von Armut betroffen sind als gedacht. In den konventionellen Statistiken waren sie bislang unsichtbar.“ Das sind welche, die nach Ansicht des 1924 gegründeten Dachverbands mehr für Ihre Wohnung, Heizung & Co. ausgeben müssen als früher.
Da erschließen sich natürlich völlig neue Forderungen auf Förderung. So wie bei uns inzwischen jedes Ungemach einfach von Vater Staat mit gepumpten Geldern ausgeglichen werden soll. Und dafür darf man dann auch gerne für den guten Zweck ein wenig flunkern. So behauptet der Paritätische einfach: „Aber die Mieten steigen schneller als die Einkommen. Viele Menschen müssen deswegen heute viel mehr als ein Drittel fürs Wohnen ausgeben – manche sogar mehr als die Hälfte.“
Da setzten die besorgt klingenden Jungs einfach darauf, dass viele Zuhörer Berichte über Mietpreissprünge bei der Neuvermietung von Wohnungen in angesagten Ballungsräumen im Ohr haben. Bei Altmieten in weniger gefragten Orten oder auf dem Land ist das aber ganz anders. Insgesamt, für alle Verbraucher, wurden die Mieten im letzten Jahrzehnt nur um 17 Prozent teurer – das ist ein jährlicher Anstieg um 1,6 Prozent. Selbst wenn man die Verteuerungen von Wasser, Gas und Strom mit einrechnet, waren es nur 2,1 Prozent. So weisen es jedenfalls die Verbraucherpreise aus. Da lagen die Lohnzuwächse satt drüber, alleine seit 2007 haben sie um 56 Prozent zugelegt.
Themenwechsel. Gut möglich, dass 2024 ein Rekordjahr beim Ertrinken seit einem Vierteljahrhundert geworden ist. Schon seit dem Coronajahr 2020 stieg die Zahl der Todesopfer durch Wasserunfälle wieder an. Könnte sein, dass das mit der Schließung der Bäder und ausgefallenem Schwimmunterricht zu tun hatte. Doch auch die Alterung der Bevölkerung dürfte unterschwellig eine Roll spielen. Im abgelaufenen Jahr kamen nach Angaben der DLRG schon bis Mitte September im Vorjahresvergleich noch 75 Tote obenauf. Nimmt man nur die als Anstieg des Gesamtjahr hinzu, kommt man auf 560 Opfer in deutschen Gewässern, den höchsten Stand seit 1999. Die meisten, etwas über ein Drittel ertrinken in Seen und ebenfalls ein Drittel ist älter als 70 Jahre. Da überschätzt Opa offenbar seine Schwimmkünste, wenn er den Enkeln oder Oma imponieren will.
(Quelle: DLRG, https://www.dlrg.de/informieren/die-dlrg/presse/statistik-ertrinken/sommerbilanz/#t3gallery-1 )
Themenwechsel. Gestern Abend nach Börsenschluss Wall Street, also bei uns am späteren Abend veröffentlichte Tesla seine Zahlen zum 4. Quartal 2024. Das wird so oder so wieder eine wichtige Angelegenheit für den Markt, je nachdem ob die Erwartungen übertroffen oder nicht erreicht wurden. Na schauen wir mal. Da ich diese Mails nun nicht am Abend schreibe, kann ich Ihnen das Ergebnis nicht mitteilen. Ich habe aber einen humoristischen Ersatz zum Thema Tesla, den mir ein treuer Leser zugeschickt hat
Ich hätte gar nicht gedacht, dass die Jungs von der Ruhrkohle so visionär veranlagt waren.