Liebe Leser,
wieder mal eine neue Story aus der endlosen Serie „Wie fallen Analysten aus allen Wolken“. Am Freitag hatte in den USA die verselbständigte Stromsparte mit einem Bereich Windkraft des General Electric-Konzerns, GE Vernova, Zahlen für das vergangene Geschäftsjahr vorgelegt. Das Papier hatte sich seit der Börseneinführung Anfang April vorigen Jahres im Kurs verdreifacht. Auch diesmal fielen die Daten positiv aus. So erreichten zum Beispiel die Auftragseingänge im 4. Quartal einen Rekordwert von 13,2 Milliarden Dollar, ein Anstieg um 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Unternehmen behielt auch seinen positiven Ausblick für 2025 bei.
Allerdings gab es einen Schuss Wasser in den Wein: denn im Windkraftgeschäft sackte der Orderfluss im Schlussquartal um 41 Prozent ab. Offshore, also auf See, verliert das Unternehmen mit seinen Windrädern Geld und nimmt keine neuen Aufträge mehr an. Beim einen oder anderen Analysten schimmerte jenseits des großen Teichs auch Skepsis wegen Donald Trumps Aversion gegen regenerative Energien durch, aber fast alle sehen auf die guten Zahlen in den anderen Bereichen. Doch ein wenig Skepsis oder Enttäuschung schimmert wohl durch, nachdem der Kurs am Freitag um fast vier Prozent nachgab.
Aber was machten nun die deutschen Anleger aus der Botschaft von jenseits des Ozeans? Schließlich beschäftigt sich auch der Top-Aktienrenner des letzten Jahres, die DAX-Aktie von Siemens Energy, mit Windkraft. Nicht zuletzt hat sie das langjährige Sorgenkind in Spanien Gamesa am Hals. Dennoch hatte sich 2024 sich der Kurs des einstigen Problempapiers vervierfacht und war am Freitag sogar auf ein Allzeithoch von über 60 Euro weiter gestiegen. Man bewertete den Konzern dabei mit dem Achtzigfachen des dieses Jahr von den Analysten erwarteten Gewinns.
Offenbar fiel die Erkenntnis aus den USA übers Wochenende den vermeintlichen Marktkennern wie Schuppen aus den Haaren: Windkraft ist in den USA nicht mehr so „in“. Ganze 18 Handelsminuten brauchte es da am Montag nach Beginn des Xetra-Handels, da war der Kurs um bis zu 20 Prozent gefallen. 12 blanke Euro Kurswert in einer guten Viertelstunde weg. Und schon in der ersten Börsenstunde wurden bei dieser Stimmungswende Aktien für fast 300 Millionen Euro gehandelt. Am Ende waren es dann auf allen Plattformen über 200 Millionen Aktien, Wert fast eine Milliarde Euro. Das waren also sicherlich keine verschreckten Kleinaktionäre.
(Quelle: Barrons, 24.1.25, https://www.barrons.com/articles/ge-vernova-earnings-stock-price-850018cf?mod=Searchresults )
Der andere Grund, der am Markt herumgereicht wurde, ist ähnlich um die Ecke gedacht. Ein chinesisches Start-up namens DeepSeek hat einen neuen AI-Assistenten im Angebot, so ein Gegenstück zu ChatGPT & Co. Angeblich soll es zum Training der dahinterstehenden Software nur bescheidene 5,6 Millionen Dollar eingesetzt haben. Was dann am Montag den ganzen Chip- und Tech-Sektor kursmäßig unter Druck setzte. Motto: könnte es sein, dass die getätigten und geplanten Riesenausgaben für den Ausbau der Künstlichen Intelligenz überdimensioniert sind? Vorbörslich fiel die zuvor wertvollste Aktie der Welt, NVIDIA, schon mal um satte 12 Prozent. Noch weiß niemand Genaues, aber da sahen einige Börsianer schon den steigenden Stromverbrauch für gigantische Rechenzentren zusammenschnurren. Womit wir wieder bei Siemens Energy wären.
(Quelle: Barrons, 27.1.25, https://www.barrons.com/articles/deepseek-stock-market-china-ai-4149ddc0?mod=Searchresults )
Hier der noch jugendlich wirkende, wenngleich schon 40 Jahre alte Gründer des neuen KI-Sterns: Liang Wenfeng (Jahrgang 1985). Kürzlich ließ er eine Pressemitteilung verteilen, dass die Technologie seines noch recht unbekannten Unternehmens mit der von Platzhirsch OpenAI in vielen Benchmarks mithalten und es in Teilen sogar übertreffen könne. Die Versionsbezeichnung des neuen Wunderdings: „DeepSeek V3“. Die Herunterlademöglichkeit verzeichnet gerade in den USA einen Blitzrekord. Mir ist es nicht gelungen, das Ding auszuprobieren, weil ein zur Anmeldung notwendiger Code nicht einging.
Themenwechsel. Ich berichte Ihnen von Zeit zu Zeit, dass meinem Eindruck nach der deutsche Arbeitsmarkt langsam dreht. War jahrelang von Personal- und Fachkräftemangel die Rede, schlägt nun ganz langsam die Flaute der Konjunktur durch. Die Statistiken reagieren darauf chronisch verzögert, zumal bislang der Gesundheit/Pflege/Bildungs-Bereich und die Öffentliche Hand die von der Industrie freigesetzten Beschäftigten willig aufnahmen. Aber der wöchentliche Index der Stellenausschreibungen des Vermittlungsportals Indeed zeigt an: die Nachfrage sinkt schon seit Mai 2022. Und es fällt nicht schwer zu prophezeien: das wird vorerst auch so weitergehen.
(Quelle: destatis, dasboard, https://www.dashboard-deutschland.de/arbeitsmarkt/arbeitsmarkt )
Themenwechsel. Letztes Jahr ist der Pro-Kopf-Verbrauch an Zigaretten wieder gestiegen. Statt 758 paffte der Durchschnittsdeutsche nun 784 Glimmstängel. Aber bevor jetzt Gesundheitsbewusste, Umwelt- und Kinderschützer Schnappatmung bekommen, zitiere ich mal besser gleich das Statistische Bundesamt: „Das Absatzplus bei Zigaretten und Feinschnitt im Jahr 2024 hängt primär mit einem Vorzieheffekt zusammen: Durch die Tabaksteuererhöhung zum 1. Januar 2025 mussten die Produzenten bereits vorzeitig Steuerzeichen für die neuen Steuertarife beziehungsweise für im Jahr 2025 zum Verkauf vorgesehene Produkte bestellen.“ Denn die eingangs genannten Zahlen stammen aus der Steuerstatistik.
(Quelle: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2025/01/PD25_035_73.html und: DZV, https://www.zigarettenverband.de/themen/zahlen-und-fakten/zigarettenpreise )
Langfristig aber ist der Trend sonnenklar: Rauchen ist mehr und mehr „out“. Denn selbst mit dem genannten Sondereffekt liegt der Verbrauch nicht einmal bei der Hälfte der nach der Wende üblichen Werte. Nun mag man das als Kulturoptimist größerer Einsicht der Raucher zuschreiben, plausibler erscheint mir indes, dass der stetig steigende Preis wesentlich am Niedergang des blauen Dunstes beteiligt war. Zahlte der Zigarettenfreund 1991 pro Stück umgerechnet 6,6 Eurocents an den Fiskus, waren es letztes Jahr 18,8 Cents und damit fast das Dreifache. Alleine von 2002 bis 2007 gab es fünf Tabaksteuererhöhungen. Mit 8,70 Euro je Standardpackung 2024 wird der Rauchgenuss zum Luxus.
Hier mal, wie sich nach Rechnung des Deutschen Zigarettenverband der Schachtelpreis zusammensetzt: mit 62,723 Prozent kassiert der Staat fast zwei Drittel, die Tabakfirmen vereinnahmen den Rest, davon müssen sie die Produktion, den Vertrieb, das Marketing bezahlen und wollen am Ende ja auch noch was verdienen.
Die geruchsmäßig nervenden Raucher haben sich denn auch um das Gemeinwesen finanziell verdient gemacht. Mit den Einnahmen des Fiskus im laufenden Jahr dürfte seit 1991 die 400 Milliarden-Euro-Grenze übersprungen werden, wenn voraussichtlich wieder 12 Milliarden beim Finanzamt eingehen. Insgesamt ist seit dem Spitzenjahr 2003 die Einnahme aber trotz höherer Steuersätze zurückgegangen, weil einfach viel weniger gequalmt wurde.
Alles geht halt irgendwann mal zu Ende. Schließlich war schon immer bei der Party die letzte Zigarette am Ende doch geraucht.