Liebe Leser,
zwar nur minimalst, aber auf dem Papier, gelang dem deutschen Handel mit Büchern letztes Jahr ein Allzeitumsatzrekord von 9,79 Milliarden Euro. Aber wenn man sich die Zahlen näher anschaut, schwindet jede Freude bei den Buchhändlern sofort dahin. Denn die Verkäufe an den Ladenkassen und im Internet lagen nur popelige vier Prozent höher als Anfang der 2000-er Jahre und etwa auf dem Niveau des bisherigen Rekordjahres 2012 – Unterschied nur 60 Umsatzmillionen und 0,6 Prozent plus. Berücksichtigt man die Inflation, dann sinken die Verkaufserlöse seit dem Jahr 2000 und zwar um gut
ein Drittel (rote Linie unten in der Grafik).
Man kann sich leicht vorstellen was das für die Buchhändler bedeutet, denn ihre Kosten wie Miete und Personal sind natürlich nicht zurückgegangen. „Die Branche bekommt weiterhin die allgemeine Kaufzurückhaltung und Verunsicherung zu spüren, zudem hält der Kostendruck bei steigendem Bürokratieaufwand unvermindert an“, jammert Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
Und hinter den ohnehin schon trüben Zahlen stecken auch noch Entwicklungen, die mindestens genauso enttäuschend für Freunde des Buches sind. Nehmen wir mal den Dezember 2024 mit seinem eigentlich förderlichen Weihnachtsgeschäft. Da ging der Umsatz gegenüber dem Vorjahresmonat um 0,5 Prozent zurück. Dahinter verbarg sich aber ein Absatzrückgang von immerhin 3,5 Prozent und nur durch steigende Preise von 3,1 Prozent konnte überhaupt das Mickerergebnis bei den Umsatzerlösen erreicht werden. Das ist ein Phänomen vieler Problembranchen, in ihrer Not schlagen sie auf die Preise drauf, um den rückläufigen Absatz zu kompensieren, weil sie angesichts der Kosten sonst gleich zusperren könnten. Aber die Preissteigerungen schrecken weitere Käufer ab – ein Teufelskreis. Auch der Anstieg des Gesamtjahres 2024 von 0,8 Prozent kam nur durch 2,6 Prozent Preisanhebungen zustande.
Besonders unter die Räder kamen die Umsätze bei Hörbüchern (minus 21,5 Prozent) und auch Karten und Globen hatten mit minus 11,5 Prozent ein zweistelliges Minus zu verkraften. Kunststück, wer fährt heute noch nach einer gedruckten Karte? Mit einem Umsatzzuwachs von 3,5 Prozent – natürlich auch weitgehend über die Preise – hatten Taschenbücher noch den besten Markt, während die Anbieter von Hardcovern nur auf 0,5 Prozent Zuwachs kamen. Die traditionellen Buchläden – Sie ahnen es schon – hatten über die Jahre noch mit der Konkurrenz aus dem Internet zu tun. Endgültige Zahlen für 2024 liegen noch nicht vor, aber auch bis 2023 ist die Tendenz klar genug.
Und dabei spielt Amazon natürlich eine Rolle. Umsatzzahlen des US-Riesen für die deutschen Bücher scheint es nicht zu geben. Aber bei einer internationalen Befragung gaben schon 2022 rund 62 Prozent der Deutschen an, übers Jahr bei Amazon ein Buch gekauft zu haben. Und damit liegt Deutschland nicht einmal an der Spitze, konservativ sind in dieser Hinsicht die Schweizer und auch die Franzosen. Schauen Sie selbst mal in die Befragungsergebnisse.
(Quelle: https://de.statista.com/infografik/28029/umfrage-zum-kauf-von-buechern-bei-amazon/ )
Und noch ein letzter hier erwähnter Schlag für die Bücherfreunde: die Zahl der jährlichen Neuerscheinungen geht seit 2007 zurück. Gut möglich, dass der Rückgang 2025 auf ein Drittel anwachsen könnte. Auch das passt von der Logik ins Bild: die Verlage müssen knapsen und senken trotz höherer Preise die Programmvielfalt. Gute Voraussetzungen für eine Wiederbelebung des Marktes sind das nicht gerade.
Woran all diese traurigen Beobachtungen nun im Einzelfall liegen, überlasse ich Ihrer Fantasie. Ein heißer Tipp wäre aus meiner Sicht zum Beispiel, dass in der an Videos und Dauerberieselung gewöhnten Jugend nicht genug Menschen nachwachsen, die sich der schwierigen Prozedur des Lesens aussetzen wollen. In Anlehnung an das Lied „Video Killed the Radio Star” des Popduos „The Buggels“ aus dem Jahr 1979, das in diversen Ländern ein Top-Hit war, könnte man texten: „Video Killed the Bookreading“. Wer noch wissen will, was denn 2024 bevorzugt gelesen wurde: Das meistverkaufte Buch über alle Warengruppen hinweg ist laut Media Control „Altern“ von Elke Heidenreich. Es folgt auf Rang 2 „Das Kalendermädchen“ von Sebastian Fitzek sowie „Freiheit“ von Angela Merkel und Beate Baumann auf Platz 3.
Kurz noch ein anderes Thema, weil ich übers Wochenende mir die folgende Grafik frisch gebastelt habe. Sie zeigt, wie stark die Zinsen und der Wohnungsbau zusammenhängen. Die rote Linie ist der Kapitalmarktzins bis Mitte Januar 2025, die braune Linie erfasst die monatlich neu genehmigten Wohnungen im 12 Monats-Durchschnitt, um die saisonalen Schwankungen (Winter) herauszumitteln. Da besteht offenbar ein Zusammenhang. Fällt der Zins -2019 bis 2022 ins Bodenlose -, dann wird leicht zeitversetzt auch mehr und vor allem viel gebaut. Gehen die Zinsen hingegen wie seit 2022 nach oben, dann sinkt die Baulust.
Aber Vorsicht, der flüchtige Blick täuscht ein wenig. Nicht nur die Zinsen sind es, die den Bau erschweren. Denn während der Hochzinsphase sind auch die Baupreise kräftig nach oben gehuscht. Es war ja gerade der durch den beginnenden Ukrainekrieg ausgelöste Preisschub, der die Europäische Zentralbank zu ihrer Hochzinspolitik veranlasste. Rechneten Bauherren im Frühjahr 2019 bei ihren Baugenehmigungen in einem Mehrfamilienhaus noch mit Kosten je Wohnung von 138.000 Euro, sind es inzwischen eher 190.000 Euro – ein Anstieg um satte 37 Prozent.
Die muss man als Bauherr erstmal wieder vom Mieter reinkriegen. Aber natürlich stimmt, dass diese Bauverteuerung zusammen mit den um drei Prozent höheren Hypothekenzinsen toxisch für den Wohnbau ist. Und weil das für einige Bauherren grenzwertig sein dürfte, schauen auch die Banken heute bei der Hypothekenvergabe genauer hin, was die Bonität des Schuldners anbetrifft. Klar, dass dieses Trio aus hohen Baukosten, gestiegenen Zinsen und bockigen Banken den Bau von Wohnraum nicht gerade fördert.