Liebe Leser,
die Amtseinführung von Donald Trump dürfte heute die Medien so eindeutig beherrschen, wie selten ein auswärtiges Ereignis. Dazu kann ich Ihnen also kaum was Neues vermitteln. Ich werde daher heute zwei Themen anbieten, die dem wie ich meine veränderten Zeitgeist entsprechen, dem Trumps Wiederwahl entsprungen zu sein scheint, aber nur mittelbar mit ihm zu tun haben. Fangen wir mal mit einer Studie an, die die der SPD nahestehende Friedrich-Ebert-Stiftung für Deutschland in Auftrag gegeben hat. Für sie hat eine Analyse/Befragungsfirma (pollytix strategic research) zunächst mal drei Bevölkerungsgruppen definiert.
„Die Segmentierung verläuft maßgeblich entlang der Spaltungslinie ‚Abschottung/national orientiert‘ versus ‚Weltoffenheit‘. Auf Basis dieser Einteilung wurden drei Einstellungsgruppen identifiziert: die ‚National Orientierten‘, die ‚Weltoffen Orientierten‘ und die ‚Bewegliche Mitte‘. Die National Orientierten neigen dazu, einen starken Nationalstaat zu bevorzugen, unterstützen eine ‚deutsche Leitkultur‘ und stehen Migration sowie offenen Grenzen skeptisch gegenüber. Die Weltoffen Orientierten hingegen befürworten internationale Kooperation und Vernetzung, vertreten sozialliberale Ansichten in kulturellen Fragen und unterstützen Migration sowie offene Grenzen. Die Bewegliche Mitte positioniert sich weniger eindeutig zwischen den National Orientierten und Weltoffenen.“
Ich weiß nicht, ob die rot/grüne Elite in Berlin die Studie lesen wird, aber wenn sie es tut, wird sie ihr kaum Freude bereiten. Denn gegenüber einer ähnlich strukturierten Studie von 2019 hat das national orientierte Segment mit 36 Prozent Anteil um stattliche 11 Prozentpunkte zugelegt. Hingegen mussten die weltoffen Orientierten mit nur noch 17 Prozent ein Minus von neun Prozentpunkten hinnehmen. Die bewegliche Mitte, die mit 53 Prozent die Mehrheit der Wahlberechtigten stellt, blieb mit einem Minus von zwei Prozentpunkten relativ stabil. Zusammengefasst: eine deutliche Verschiebung in Richtung konservativ.
(Quelle: https://www.fes.de/zukunftstraum )
Warum könnte diese Verschiebung von weltoffen zu national orientiert im Vergleich eines halben Jahrzehnts wichtig sein? Weil diese Gruppen sehr unterschiedliche Präferenzen haben. Als sie befragt wurden, was sie denn als frisch ernannter Bundeskanzler als erstes angehen würden, stellten bei den Nationalen 46 Prozent das Thema „Migration“ in den Vordergrund, Bei den Weltoffenen war hingegen mit 18 Prozent der „Klimawandel“ Thema Nummer eins. Da dürften die GRÜNEN schlucken, wenn diese Gruppe schrumpft. Die Weltoffenen halten mit 13 Prozent die „Soziale Gerechtigkeit“ für ein hochwichtiges Thema, bei den Nationalen sind es mit sechs Prozent nicht einmal halb so viel. Da werden die Sozialdemokraten aufmerken.
Auch die sonstigen SPD-Lieblingsthemen wie „Soziale Gerechtigkeit“ oder „Rente“ rangieren für die Wähler nicht gerade an der Spitze der Wichtigkeit. Bei allen Befragen brachte es die Rententhematik zum Beispiel nur auf eher niedrige vier Prozent, die sie in den Vordergrund stellen wollten. Hingegen hielt mit 26 Prozent aller Wähler ein gutes Viertel die „Migration“ für Thema Number One – ein guter Nährboden für die AfD. Zumal die noch verbliebenen zwei Regierungsparteien dazu in den letzten Jahren nun wirklich nicht mit markanten Lösungen aufgefallen sind. Könnte die Studie der SPD-ler denn belegen, dass auch Deutschland Teil eines Rückschwungs zu konservativeren Werten ist wie in vielen anderen Ländern – siehe Italien, Frankreich und auch Trump?
Themenwechsel zu einem anderen radikal anders als der bisherige Mainstream Handelnden. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hatte der im November 2023 gewählte argentinische Präsident Javier Milei (Jahrgang 1970) seinen Landleuten reinen Wein eingeschenkt. Bei einer Fernsehansprache, die alle Sender im Land ausstrahlten, saß er am großen Schreibtisch des Präsidenten, hinter sich sein komplettes Kabinett. Und dann legte der schon im Wahlkampf nicht mit harten Worten sparende Präsident los: „Nach Dekaden des Scheiterns, Verarmung, der Dekadenz beginnen wir heute den Weg des Wiederaufbaus.“ Er habe das schlimmste wirtschaftliche Erbe übernommen, das je einem Präsidenten hinterlassen worden sei. Eine galoppierende Inflation, eine Zentralbank ohne Reserven, die Hälfte der Bevölkerung in Armut. Um dem zu begegnen, kündigte er einen „Schock-Stabilisierungsplan“ an. Andere Mittel würden nicht mehr helfen, da in den Jahrzehnten vor ihm sämtliche Regierungen „zum Scheitern verurteilte Konzepte angewandt“ hätten.
Mit der üblen Situation hatte Milei nicht übertrieben. Im Monat der Ansprache lag die Inflation als Erbe seiner links/peronistischen Vorgänger bei 211 Prozent Jahresrate und es zeichnete sich ab, dass sie so oder so noch steigen würde. Was dann bis April 2024 mit in der Spitze 289 Prozent auch geschah. Wer das verbockt hatte, daran ließ Javier keinen Zweifel. Die in Argentinien über Jahrzehnte verfolgte Wirtschaftspolitik sei die „Doktrin der Linken“. Diese Doktrin sei eine Denkweise, die das Individuum unter die Herrschaft des Staates stelle. In ihr würden „Bürokraten – in anderen Worten: die Politiker“ entscheiden, was für die Individuen richtig sei. Die Folgen wären dramatisch. Politiker könnten dann „Gott spielen“ und darin läge „der Grund für unsere Probleme“.
Mit einem mehr als 200-seitigen Dekret, denn für Dekrete braucht der Präsident in Argentinien nicht den Kongress, er kann sie einfach unterzeichnen, gedachte er, diesen Problemen zu Leibe zu rücken. Seine Mitarbeiter hatten dafür sämtliche Gesetze Argentiniens durchgeforstet, um Beschränkungen der Wirtschaft zu identifizieren und aufzuheben. Einen „Liberalismus-Schock“, nannte das einer, der selbst daran mitgearbeitet hatte. Der Korrespondent der Hamburger „ZEIT“, die ist ja sicherlich nicht konservativ-lastig ist, schrieb verwundert in der Überschrift: „Ist der irre oder hat er einen Plan?“ Und das Irrste, inzwischen sieht es so aus, als sei der Plan gar nicht mal so übel gewesen. Jedenfalls hat sich die Inflation angesichts drastischer Kürzung der Staatausgaben und Liberalisierung mit 118 Prozent im Dezember in den letzten acht Monaten mehr als halbiert.
(Quelle: ZEIT, 21.12.2023, https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-12/javier-milei-argentinien-praesident-wirtschaftspolitik )
Was aber die verdutzten Beobachter noch mehr wundern dürfte: trotz des Ausgabenschocks zeigt die Industrie eine Aufwärtstendenz. Und erstmals seit 14 Jahren konnte der argentinische Staat für 2024 wieder einen Haushaltsüberschuss melden, Das haben deutsche Politiker seit Jahrzehnten nicht mehr geschafft. Noch erstaunlicher: die Argentinier halten ihrem rumpeligen Landesvater trotz der harten Linie die Stange: laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts AtlasIntel unterstützt ihn fast die Hälfte der Argentinier, obwohl nur jeder Fünfte die Wirtschaft als „gut“ bewertet.
(Quelle: https://www.welt.de/politik/ausland/article255167252/Versprechen-eingehalten-Milei-feiert-Argentiniens-ersten-Haushaltsueberschuss-seit-2010.html und: https://www.economist.com/graphic-detail/2025/01/14/is-javier-mileis-economic-gamble-working )
Ich habe Ihnen schon vor einem Jahr versprochen, dass ich die Ereignisse in Argentinien für Sie verfolgen werde, Ich bleibe dran. Schon deshalb, weil die Linken aller Welt ausschwärmen, um bei Milei die Haare in der Suppe zu finden. Denn es kann ja aus ihrer Sicht nicht sein, dass jemand den Staat zurückfährt, die linke Ideologie ablehnt und damit auch noch Erfolg hat.
(Quelle: taz, 1-1-2025, https://taz.de/Oekonom-ueber-Mileis-Wirtschaftspolitik/!6056578&s=Milei/ )
So tat das Leib- und Magenblatt der Linken, die Berliner „taz“, pünktlich zu Jahresbeginn einen Ökonomen auf, Hernán Letcher, der Milei nur Unangenehmes nachsagt wie etwa: „Der Preis für Mileis Erfolge ist extrem hoch. Die Armut ist in die Höhe geschnellt, auch wenn sie aktuell ein wenig zurückgeht. Die Arbeitslosigkeit hat zugenommen, die Kaufkraft der Löhne und vor allem der Renten ist weiter gesunken, und die Einkommen der informell Beschäftigten sind stark zurückgegangen.“ Und der Kritiker erklärt die Zustimmung im Lande schlicht mit Naivität: „Ein kleiner Teil der Gesellschaft profitiert von der Politik Mileis. Aber auch der andere größere Teil hält immer noch an der Erwartung fest, dass sich die Dinge für ihn verbessern werden. Im Moment gibt es 50 Prozent, die Milei unterstützen, und 50 Prozent, die ihn hassen, die aber auch nicht zu den alten Zeiten zurückkehren wollen. Es ist eine eher subjektive, emotionale Zustimmung.“
Offenbar weiß der Volkswirt mehr als die Anleger, denn der Aktienmarkt in Buenos Aires legte 2024 einen beeindruckenden Anstieg hin. Zwar täuscht die Veränderung der Kurse um atemberaubende 178 Prozent übers Jahr zu viel Optimismus vor, weil gleichzeitig auch die Inflation 118 Prozent davon wieder wegfraß, aber es bleibt auch real noch ein beachtliches Plus. Schwer zu verstehen, warum die Käufer so zuversichtlich sein sollen, wenn aus des Experten Sicht „das industrielle Argentinien verschwinden wird“ – siehe taz-Zitat.