Liebe Leser,
fast ein Vierteljahrhundert hatte Russlands Vorzeigekonzern Gazprom mit seiner Gasverkäufen stattliche Gewinne produziert, aber schon 2023 sacken die Erträge umgerechnet um über sechs Milliarden Euro unter die Nulllinie. Und 2024 könnte noch einmal ein gehöriger Batzen dazugekommen sein, denn bereits in den ersten neun Monaten fielen wieder über drei Milliarden Euro Verlust an. Kunststück, wenn der beste Kunde halbwegs wegfällt. Steuerte Russland vor dem Ukrainekrieg rund 40 Prozent zu den europäischen Gasimporten bei, waren es 2023 nur noch acht Prozent. Und das Ende der Durchleitungsrechte unter dem Kriegsgegner Ukraine zu Jahresbeginn 2025 sowie weitere Sanktionen dürften den Geschäften auch weiterhin nicht gerade zuträglich sein.
(Quelle: BUSINESSINSIDER, 14.1.25, https://www.businessinsider.de/wirtschaft/russlands-gazprom-plant-40-prozent-seiner-stellen-zu-streichen/ )
Offenbar geht es nun auch ans Eingemachte: der Aktienkurs ist schon seit dreieinhalb Jahren mächtig unter Druck und schwankt in der Nähe langjähriger Tiefstkurse (siehe Chart), aber auch der halben Millionen Beschäftigten des zur Hälfte dem Staat gehörenden Konzerns drohen anscheinend Kündigungen. Gegenüber der Nachrichtenagentur „47News“ in St. Petersburg sickerte aus Unternehmenskreisen durch, dass alleine in der Firmenzentrale von 4.100 Mitarbeitern 1.600 den Schreibtisch räumen sollen. Zitiert wird aus einem Schreiben der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Elena Ilyukhina an den Gazprom-Boss und Putin-Buddy Alexei Miller, dass man die teure Mannschaft dort durch „Automatisierung und Digitalisierung“ ersetzen wolle. Als Beispiele führte sie die Bereiche Buchhaltung und Planung an.
Und auch der Kreml muss den Gürtel enger schnallen. Konnte er im bisherigen Rekordjahr die Hälfte von 380 Milliarden Rubel an Dividende von Gazprom vereinnahmen, nach damaligem Umrechnungskursen fast drei Milliarden Euro, geht er in den Kriegsjahren jetzt leer aus. Krieg kostet halt in vielfältiger Form Geld.
Themenwechsel. In China verdichtet sich mehr und mehr meine an dieser Stelle schon häufiger beschriebene Vermutung, dass die chinesische Wirtschaftslage fatal den Verhältnissen in Japan vor drei Jahrzehnten gleicht. Eine überalternde Bevölkerung, ein verkrachter Immobilienboom, eine ankurbelnde Regierung und missmutige Konsumenten sind nur die wichtigsten Ähnlichkeiten. Aber auch in Japan zeigte sich die zunehmende Flaute ganz deutlich in sinkenden Langfristzinsen. Acht Jahre brauchte es dort von 1990 bis 1998, bevor die Renditen unter zwei Prozent fielen.
(Quelle: FRED, https://fred.stlouisfed.org/series/IRLTLT01JPM156N )
Das scheinen die Chinesen jetzt schneller nachzuspielen. Selbst ultralange Laufzeiten von Anleihen (30 Jahre) bringen inzwischen keine zwei Prozent mehr. Und schauen Sie mal, wie sich der Sturz der Renditen zuletzt zu beschleunigen scheint.
(Quelle: SCMP, 16.1.25, https://www.scmp.com/economy/china-economy/article/3294282/record-low-yields-prompt-suspension-government-bond-purchases-chinas-central-bank?module=Policy&pgtype=section )
Noch zur Aktualität: die Rendite 10-jähriger chinesischer Staatsanleihen lag am Donnerstag bei 1,64 Prozent, nachdem sie am 3. Januar mit 1,6 Prozent einen Rekordtiefstand erreicht hatte. Unterdessen erreichte die Rendite 30-jähriger Anleihen am Donnerstag 1,89 Prozent – womöglich der tiefste Stand in der chinesischen Geschichte. Grund: da die Renditen aus traditionellen Vermögenswerten wie Aktien und Immobilien schrumpfen, suchen Anleger zur Diversifizierung ihrer Portfolios zunehmend nach risikoärmeren Alternativen wie halt Staatsanleihen. Die Nachfrage auf dem Markt für Staatsanleihen habe in letzter Zeit das Angebot überstiegen, so die People’s Bank of China (PBOC), die dortige Notenbank.
Kurz zum Schluss noch ein Hauch von Politik. Eine bekannte Floskel lautet: „Jeder ist ersetzlich.“ Davon hält unser Staatenlenker indes nichts: „Ich glaube, es funktioniert vor allem und ausschließlich mit einem Kanzler Scholz“ beschied Olaf Scholz der Moderatorin Pinar Atalay im Format „RTL Direkt“. Und zählte eine lange Reihe von Erfolgen seiner Ampelregierung auf. Dass ihm nur jeder sechste Deutsche Wirtschaftskompetenz zubilligt, hält er für ungerecht. Und glaubt zum Beispiel, dass seine SPD im Vergleich der Parteien „das am wenigsten teure Programm“ vorgelegt habe. Dessen vom „Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung“ (DIW) errechnete Lücke von „nur“ 30 Milliarden Euro im Bundeshaushalt nach diesem Programm sei im Vergleich der übrigen Wahlprogramme nicht nur das billigste Wahlversprechen, sondern auch tatsächlich gegenfinanziert.
Mit der Gegenfinanzierung meint er vermutlich die auch aus der Partei fröhlich kolportierte These, die ein Prozent deutschen Bestverdiener sollten das mit höheren Steuern bezahlen. Rechnen wir doch mal: das dürfte vielleicht heutzutage so eine halbe Million an Kopfzahl sein. Nach der aktuell möglichen Steuerstatistik waren es 2020 so um die 400.000. So müsste bei der errechneten Finanzlücke jeder „Einprozentling“ monatlich im Schnitt 5.000 Euro zusätzlich ans Finanzamt blechen. Da werden die sich aber freuen. Vermeidungsstrategien und dass da mal einer ins Ausland verzieht sind natürlich völlig ausgeschlossen.