Liebe Leser,
Hut ab vor den schauspielerischen Fähigkeiten von Elon Musk (Jahrgang 1971). Wie der einen technologischen Rückstand als Vorsprung zu verkaufen versucht, das macht ihm so schnell keiner nach. Letzten Donnerstag hatte sein Elektroautokonzern zu einem Megaevent eingeladen: Neues zum Robotaxi. Seit Wochen fieberten die Fans, der Kurs der Aktie hatte nach enttäuschender Entwicklung seit dem 22. April dieses Jahres wieder um satte 59 Prozent zugelegt.
Dann war es endlich so weit. Auf dem Gelände der legendären Filmfirma Warner Brothers in Los Angeles rollte die E-Legende Musk in einem von ihm „Robocap“ getauften, futuristischen Prototyp auf die Bühne. Geladen waren Influencer und diverse Musk-Verehrer, das sollte eine Jubelshow werden, kein Platz für kritische Fragen von Presse und Analysten. Nebenher wurde auch noch ein selbstfahrender „Robovan“ für 20 Personen präsentiert und erschien der Tesla-Roboter in Filmsequenzen beim Einkaufen und Gemüseschnibbeln.
(Quelle: VERGEm 11.10.24, https://www.theverge.com/2024/10/10/24265530/tesla-robotaxi-elon-musk-features-range-price-release-date und: NYT, 11.10.24, https://www.nytimes.com/2024/10/10/business/tesla-robotaxi-elon-musk.html )
Kernbotschaft indes: 2026 könne jeder das Robocap für unter 30.000 Dollar erstehen und würde es völlig autonom auf den Straßen als Taxi umherfahren. Müsste es auch, denn das vorgestellte Fahrzeug hat kein Lenkrad und keine Pedale. 2026 knüpft – vermutlich ungewollt – irgendwie an das Jahr 2016 an, als Musk erstmals völlig autonomes Fahren für seine Produkte in Aussicht stellte. Dabei fahren Teslas bis heute mit einem Assistenzsystem, das in Gefahrensituationen das Eingreifen des menschlichen Fahrers voraussetzt. Traurige Bilanz des etwas unscharfen „Wordings“ laut „National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA)“ von 2018 bis August 2023 offiziell 956 schwere Unfälle mit Teslas Assistenzsystem und 29 Toten. Hier nur mal ein Ausriss aus einer recht großen Tabelle der Untersuchung, die ich sonst nicht vollständig und dabei noch lesbar unterkriege.
(Quelle: National Highway Traffic Safety Administration, Investigation EA22002-14496, 25.4.2024, https://www.nhtsa.gov/ )
Nun mag man das als notwendiges Übel einer bahnbrechenden Entwicklung betrachten. Schließlich bauen auch Menschen tödliche Unfälle und die völlig risikofreie Einführung einer neuen Technologie ist reine Utopie. Was aber auffällt ist, dass Tesla offenbar der Entwicklung bei anderen Anbietern von Robotertaxis hinterherhinkt. Denn der Google-Ableger Waymo fährt zum Beispiel bereits mit fahrerlosen Taxis auf den Straßen von Phoenix, Los Angeles, Austin und San Francisco und hat nach eigenen Angaben bei 100.000 wöchentlichen Einsätzen nur ein Viertel der Unfälle mit Verletzten wie menschliche Chauffeure. Die markierten 73 Prozent sind ein Rückgang gegenüber menschlichen Fahrten.
(Quelle: Waymo, 5.9.24, https://waymo.com/blog/2024/09/safety-data-hub/ )
Hier das Auto von Waymo heute auf der Straße. Hätte also gut sein können, das am Warner-Studio in Burbank gerade so ein Fahrzeug vorbeirollte, wo Elon Musk sein Roboterauto für 2026 in Aussicht stellte und freimütig einräumte: „Ich neige dazu, ein wenig optimistisch zu sein“, dass er also nicht allzu gut in Terminprognosen sei.
(Quelle: Barrons, 10.10.24, https://www.barrons.com/livecoverage/tesla-robotaxi-event?mod=article_inline und: VERGE, 9.10.24, https://www.theverge.com/2024/10/9/24265781/tesla-robotaxi-elon-musk-claims-safety-driverless-level-5 )
Das Börsenfachblatt Barron’s urteilte denn auch relativ kühl über die große Musk-Show: „Teslas Veranstaltung präsentierte neue Fahrzeuge und einige Zeitpläne, aber fast alles, was Musk heute Abend sagte, wurde schon einmal gesagt. Und Investoren könnten den Eindruck haben, dass es bei der Veranstaltung an sicherheitsrelevanten Daten mangelte.“
Andrew J. Hawkins, Redakteur bei der US-Technologie-Webseite VERGE, der Musks Wirken seit einem Jahrzehnt verfolgt, schreibt in der Retrospektive: „Fast ebenso lange, wie er CEO von Tesla ist, erzählt uns Elon Musk von selbstfahrenden Autos. 2016 sagte er, dass selbstfahrende Tesla-Autos ‚noch zwei Jahre entfernt‘ seien. Ein Jahr später waren es ‚definitiv sechs Monate‘ und Kunden könnten in ‚zwei Jahren‘ tatsächlich in ihrem Tesla schlafen. 2018 war es noch ‚noch ein Jahr‘ entfernt und es wäre ‚200 Prozent sicherer‘ als menschliches Fahren. 2019 sagte er, dass es ‚dieses Jahr vollautomatisches Fahren‘ geben würde. Es verging kein Jahr, ohne dass Musk die baldige Ankunft eines vollständig fahrerlosen Teslas versprach.“
Nun ja, man muss halt dran glauben. Die Börse tat es nicht so recht, am Freitag, also einen Tag nach dem Event, sank der Kurs der Tesla-Aktie um 21 Dollar, immerhin fast neun Prozent. Schauspielerei wird halt nicht immer für voll genommen.
Kurzer Themenwechsel. In einem Schreiben an die Mitarbeiter, das die Stadt als „intern“ einstuft, hat der Bürgermeister der Stadt Plettenberg im Sauerland, Ulrich Schulte, die kommunalen Mitarbeiter vor großer Gefahr gewarnt: seit dem Internschreiben gilt in allen städtischen Gebäuden ein striktes Kaktus-Verbot. Und das wird auch angewandt. Wie ein Sprecher der Kommune erklärt: „Die städtischen Hausmeister haben das Kaktusverbot erfolgreich umgesetzt.“
(Quelle: FAZ, 11.10.24, https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kaktus-verbot-im-sauerland-erlassen-hintergrund-der-aktion-ist-ernst-110040727.html )
Hintergrund der Aktion: ein Mitarbeiter hatte sich in einer Schule so schwer an einem Kaktus verletzt, dass er ärztlich behandelt werden musste. Um welche Verletzung genau es sich handele, dürfe „aufgrund der zu schützenden Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre unseres Personals“ nicht mitgeteilt werden. Eine Geheimhaltung, der dann gleich von den Plettenbergern in ihrem Eifer widersprochen wird: „Was bei dem erwachsenen Mann eine Blessur am Arm war, hätte für ein kleines Kind an gleicher Stelle durchaus eine böse Verletzung im Gesicht werden können.“
Da wird die Sauerländer Stadtverwaltung noch einiges zu tun haben: wie leicht kann man sich an einem Hefter verletzen oder was ist, wenn die Kinder von Besuchern der Ämter an einem Gummibaum hochkriechen wollen und mit dem Topf umfallen? Ich erinnere mich noch an Zeiten, da sind Jungen halsbrecherisch auf Bäume geklettert, Beamte wurden nur abrupt wach, wenn sie beim Schnarchen in der Amtsstube an einen Kaktus kamen. Wahrscheinlich hängen jetzt in ganz Plettenberg daheim Warnschilder, falls ein Depp einen privaten Kaktus anfassen sollte.
Und noch ein Kurzgeschichtlein aus unserem Ländchen. Laut Haushalt des baden-württembergischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Seite 647, erhalten die „Württembergischen Staatstheater“ in Stuttgart 2024 Zuschüsse von 104,4 Millionen Euro. Da die Spielstätten Oper, Ballett und Schauspiel laut Theaterverwaltung jährlich von 450.000 Zuschauern besucht werden, sponsert der Steuerzahler jeden Besucher mit gut 230 Euro.
(Quelle: BW, https://fm.baden-wuerttemberg.de/de/landesfinanzen/landeshaushalt-2023/2024/einzelplaene und: https://www.staatstheater-stuttgart.de/sanierung/opernhaus/faq/#:~:text=Jede%20Spielzeit%20besuchen%20rund%20450.000,mit%20Oper%2C%20Ballett%20und%20Schauspiel. und: https://www.bild.de/unterhaltung/sex-oper-in-stuttgart-die-krassen-szenen-im-video-67081cccb5dc4514a2efb47a )
Dafür kann der Betrachter dann zum Beispiel die Oper „Sancta“ genießen. Bei ihrer Aufführung baumelt ein weiblicher Jesus nackt von der Decke, spielt nebenbei noch den Adam aus dem Paradies und verprügelt eine Nonne. Gelegentlich spritzt Kunst- und auch echtes Blut. Muss man mögen, bei den ersten zwei Vorstellungen begaben sich 18 Zuschauer in ärztliche Obhut. Wissen Sie das mit der Freiheit der Kunst ist ja ganz in Ordnung, ich verstehe nur nicht, warum ich dafür pro Zuschauer 230 Euro dazulegen muss, wenn ich so einen Quark gar nicht sehen will.