Liebe Leser,
fast täglich wird vom Gerangel um den nächsten Bundeshaushalt 2025 berichtet. Sie erinnern sich sicherlich, auf die Frage nach den Mehrforderungen der Ministerien trotz Sparappell antwortete der Finanzminister Christian Lindner (Jahrgang 1979) er könne keine amtliche Zahl nennen, „weil ich verschiedene Forderungen nicht als ernsthafte Verhandlungsposition akzeptiere“. Zuletzt klaffte in den Planungen eine Lücke im zweistelligen Milliardenbereich, es kursierten Zahlen zwischen 15 und 30 Milliarden Euro. Und dies bei den höchsten Steuereinnahmen der deutschen Geschichte.
Der allseits geschätzte Verteidigungsminister Boris Pistorius (Jahrgang 1960) machte gar trotz seines 100 Milliarden-Sondervermögens das Fass Freistellung von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben wieder auf. Dabei kommen besonders peinliche Beispiele für Verschwendung just aus seinem Ministerium. Dort sitzt nämlich – als erstes von zwei Beispielen – eine Abteilung, die über riesige Milliardenausgaben wacht, aber in der Vergangenheit immer wieder mit Inkompetenz und zeitlicher Gemütlichkeit von sich reden gemacht hat: das Beschaffungsamt. Nun zu dem Fall, den der Bundesrechnungshof erst kürzlich gerügt hat. Es geht um Batterien der Bundeswehr, die bei Sprechgeräten mit Gehörschutzfunktion angeschafft werden müssen. Diese „Sprechsätze“ dienen den Soldaten zur Kommunikation untereinander und schützen vor Gefechtslärm.
Allgemein kauft das Amt solche Batterien über Rahmenverträge zu 21 Cents pro Stück ein. Nun will man weitere Sprechsätze erwerben, bei denen der Lieferant die Batterien für die erstmalige Inbetriebnahme mitliefert. Dies allerdings für drei Euro das Stück, also rund zum Fünfzehnfachen der sonstigen Beschaffungskosten. Laut Bundesrechnungshof hat „das Beschaffungsamt keine wirtschaftlichen Alternativen für die Lieferung von Batterien geprüft“. Er hatte das Verteidigungsministerium angefragt, ob es nicht wirtschaftlich sei, preiswerte Batterien aus bestehenden Rahmenverträgen für die Inbetriebnahme der Sprechsätze zu nutzen.
Antwort der Ministerialen: ein Vergleichsangebot ohne Batterien hätte es nicht eingeholt. Bei 2,6 Millionen zu bestellenden Batterien geht es ja auch nur um popelige 7,2 Millionen Euro Mehrkosten. Und verblüffenderweise ums gro0e Ganze. Wie beschied das Ministerium den Rechnungshof auf Anfrage: „bedarfsrelevanten Hintergründe (Landes- und Bündnisverteidigung)“ seien „höher als die Wirtschaftlichkeit zu gewichten“. Wieso eine teurere Batterie der Bündnisverteidigung dient leuchtet mir nicht ganz ein, aber Ihnen vielleicht. Selbst beim Kauf im nächsten Laden würde die Bundeswehr vier Fünftel des jetzt gewählten Beschaffungspreises einsparen.
(Quelle: 33 Einsparpotenzial in Millionenhöhe bei Batterien: Bundeswehr ignoriert wirtschaftliche Alternativen. (Kapitel 1405 Titel 554 10), Bundesrechnungshof, https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2024/ergaenzungsband-2023/kurzmeldung.html )
Zum Eindruck von Schlendrian passt auch ein zweites Beispiel aus der Feder des Rechnungshofes. Der Fall: Zeitsoldaten haben im Anschluss an ihren Dienst Anspruch auf Förderung ihrer schulischen und beruflichen Bildung, was den Übergang in einen Zivilberuf erleichtern soll. Die Bundeswehr betreibt dafür seit 2005 zehn Fachschulen. Dort können die Ex-Soldaten Schulabschlüsse erwerben und sich zum Beispiel als Erzieher ausbilden lassen. Der ehemalige Feldwebel als Kita-Kraft, das regt die Fantasie an.
Das Problem mit den Schulen: ihre Kapazität ist seit dem Jahr 2019 mit 250 Dienstposten auf 2.500 Lehrgangsteilnehmer ausgerichtet, ein fürwahr schon komfortables Verhältnis von ein Unterrichtender auf 10 Schüler. Nun die Realität: immer weniger Schüler nutzen dieses Bildungsangebot, statt ursprünglich 2.777 Teilnehmern waren es letztes Jahr trotz Sonderprojekten nur noch 1.279, also weniger als die Hälfte. So versorgen die Ausbilder nun rechnerisch nur noch fünf Schüler, ein pädagogisches Paradies. Das solcher Luxus kostet, ist nur zu natürlich. Nimmt man die zuletzt vom Ministerium genannten 25 Millionen jährlichen Euro für 2022, die bisher kontinuierlich gestiegen sein sollen, packt wenige Prozente drauf und teilt durch die letzte Schülerzahl, kommt man auf über 20.000 Euro Ausgaben pro Ausbildungsplatz.
(Quelle: 32 BMVg muss nicht mehr benötigte Bundeswehrfachschulen schließen, (Kapitel 1413), https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2024/ergaenzungsband-2023/kurzmeldung.html )
Der Bundesrechnungshof urteilt nach jahrelangen, allerdings erfolglosen Aufforderungen zur Einsparung kühl: „Die Bedeutung, die das Verteidigungsministerium den Fachschulen beimisst, rechtfertigt es nicht, jahrelang erhebliche Überkapazitäten vorzuhalten. Alle Versuche seit dem Jahr 2015, die zehn Fachschulen durch zusätzliche Lehrgangsangebote für aktive Soldatinnen und Soldaten auszulasten, waren nicht erfolgreich. Auch neue Lehrgangsangebote werden daher die Fachschulen nicht auslasten können. Dies bestätigen die Prognosen der Koordinierungsgruppe und der Fachaufsicht im Ministerium. Weitere Verzögerungen, die Kapazitäten an die Nachfrage anzupassen, sind nicht hinnehmbar. Der Bundesrechnungshof fordert das Ministerium auf, die Zahl der Fachschulen endlich entsprechend der rückläufigen Auslastung zu reduzieren. Ausgehend von der Schülerzahl im Jahr 2023 hält er es für erforderlich, die Hälfte der Fachschulen zu schließen.“
Mein unfachmännischer Kommentar: wenn man es bei Ausgaben im laufenden Jahr von 477 Milliarden Euro und einem über der Inflationsrate liegenden Zuwachs nicht schafft, ohne Wegfall der Schuldenbremse auszukommen, dann wird das mit den Bundesfinanzen nie mehr was. Aber für mich passt das ins Bild von Menschen, die das von ihren Bürgern hart erarbeitet Stiergeld in der ganzen Welt ausstreuen. Da kann jetzt FDP-Chef Lindner als Haushaltswart mal zeigen, was für Knochenhärte in ihm steckt.