Liebe Freunde und Kollegen,
nun ist das Weihnachtsfest 2023 gelaufen und ein paar Leser werden sogar wieder im Büro und/oder aus dem Winterurlaub zurück sein. Da kann man langsam wieder mal mit ökonomischen Themen starten.
Wohl jedem, der am Wirtschaftsleben teilnimmt, schwant irgendwie, dass hierzulande langfristig nicht alles so glücklich läuft. Man könnte da jetzt weit ausholen und Beispiele wie die gute alte (heute eher schlechte) Eisenbahn anführen. Aber ich will versuchen, meine ökonomische Unzufriedenheit mit wenigen Bildern und nachvollziehbaren Zahlen zu veranschaulichen. Wohl auch wirtschaftlich Unbedarften dürfte klar sein, dass man nicht alles Erwirtschaftete für schönes Leben verballern und langfristig immer noch auf Rosen gebettet sein kann. Etwas Geld sollte man zurücklegen. Mit diesem Ersparten bzw. nicht Konsumierten kann dann in die Zukunft investiert werden. Jede florierende Volkswirtschaft muss Gebäude errichten oder in Stand halten und neue Maschinen kaufen, sonst hat man am Ende DDR-Verhältnisse mit zerfallenden Buden und marodem Maschinenpark.
Auf den ersten Blick sieht es da in Deutschland seit 2006 gar nicht so übel aus. Fasst man die Investitionen in den Bausektor und die Ausrüstung der Wirtschaft (Maschinen, Fahrzeuge usw.) zusammen, dann stieg der Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP), also der Wirtschaftsleistung, bis zum 3. Quartal 2022 unter Schwankungen (z.B. Coronadelle) bis auf stolze 19,4 Prozent an. Und hat sich seither nur wenig zurückgebildet.
Allerdings stecken dahinter zwei völlig konträre Entwicklungen. Das Tal der Seligen: der Bau. Getrieben von zeitweise auf Rekordtiefstwerte absinkenden Zinsen mit Hypotheken fast zum Nulltarif nahm der Anteil der Bauinvestitionen am BIP deutlich zu. Gut jeder achte im 3. Rekordquartal 2022 volkswirtschaftlich erwirtschaftete Euro floss in den Immobilienbereich (12,1 Prozent). Das war deutlich überdurchschnittlich, selbst wenn man den Bauboom nach der Wiedervereinigung im Durchschnitt mit berücksichtigt.
Viel weniger gut sieht das Bild aus, wenn man die reinen Ausrüstungsinvestitionen betrachtet. Mit 6,7 Prozent Anteil am BIP lagen sie schlechter als je zuvor, wenn man die Sonderfälle Corona und Beginn des Ukrainekrieges mit seinem Energiepreisschub einmal außer Acht lässt. Die Anteile liegen praktisch seit der Finanzkrise 2008/2009 unter dem langfristigen Durchschnitt. Ich habe Ihnen in der roten gepunkteten Linie mal den Trend eingezeichnet.
Um diese beiden unterschiedlichen Entwicklungen glasklar zu machen, habe ich beide auch noch mal in einer Grafik zusammengefasst und die Trends blau markiert.
Wird halt mehr gebaut – Dienstleistungsgesellschaft, weniger Industrie – mögen Sie vielleicht denken. Aber da gibt es auch eine andere Interpretation. Erstens sind wir als rohstoffarmes Land eine Exportnation. Wir brauchen daher Überschüsse im Warenhandel mit unseren Produkten, um zum Beispiel Energierohstoffe einzuführen. Da wären ein paar neue Maschinen möglicherweise von Vorteil. Zweitens kann man über die Werthaltigkeit so mancher Bauinvestition der letzten Jahre streiten. Denken Sie an Herrn Benko und sein jetzt zu verramschendes Immobilienreich. Vielleicht hat das abstrus niedrige Zinsniveau Bauten angeregt, die man nicht oder nur zu ganz anderen Wertansätzen gebrauchen kann, sprich abschreiben muss. Und drittens dürfte es, wenn die heutigen Baustellen fertig sind, eher eine Flaute als einen neuen Boom geben. Höhere Zinsen und Fälle wie Benko lassen grüßen.
Ich will Sie heute Morgen nicht zu sehr mit Grafiken und Gedanken bombardieren. Aber man kann aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die ich hier für die Bildchen verwendet habe, auch noch andere Schlüsse ergänzen. Etwa folgenden: während sich die Ausrüstungsinvestitionen in ihrem BIP-Anteil verringert haben, ist der Anteil des Staatskonsums in jeder Weise ausgeweitet worden. Für die langfristige Entwicklung habe ich Ihnen in Rot den Trend dazu eingezeichnet und auch in Blau den „Aufschwung“ seit der Zeit vor der Finanzkrise.
Insgesamt eine eher unschöne Entwicklung: während in die nachhaltige Zukunft weniger investiert wird, haut der Staat ordentlich Geld für seine Bürger raus. Nun mag der starke Anstieg 2020 wegen der Seuche ein Sonderfall sein, aber der Abwärtstrend im relativen Staatskonsum von 1997 bis 2007 ist klar beendet worden. Diese relative Sparsamkeit deckt sich Übrigen zum beachtlichen Teil mit den Amtsjahren 1999 bis 2005 vom inzwischen verfemten Kanzler Gerhard Schröder (Jahrgang 1944), aber das ist eine andere Geschichte.
Nun entlasse ich die treuen Zwischen-den-Jahren-Leser in einen – allerding wieder mal regnerischen – Tag. Zum Ende noch ein Bahnwitz, man hat ja bei ihr sonst wenig zu lachen.