Liebe Leser,
BILD regt in ihrem Feldzug gegen die regierende Ampel eine mit 15.000 Quadratmeter Grundstücksfläche nicht gerade kleine neue Residenz des Außenministeriums in Brüssel auf, sie wäre dort die vierte. Zumal man den vom Bundesrechnungshof stammenden Vorwurf der Protzerei und Planlosigkeit mit der grünen Annalena Baerbock (Jahrgang 1980) schön mit Foto personalisieren kann. Der Report der amtlichen Kassenprüfer trägt den unaufgeregten Titel: „AA kauft unnötige Residenz für 8 Mio. Euro – kein Einzelfall für unwirtschaftliche Entscheidungen bei Auslandsliegenschaften.“ BILD spricht kurz und knapp von „Baerbocks Protz-Palast“.
(Quelle: BILD, 19.12.23, https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/tennisplatz-und-innen-pool-aerger-um-baerbocks-neuen-protz-palast-in-bruessel-86459568.bild.html )
Wegen komplexer Zusammenhänge fällt ein taggleich veröffentlichter Vorwurf viel weniger auf, obwohl es da statt acht eher überschaubarer Millionen um Milliarden geht. In den Zeiten der Coronanot hatte die Europäische Union (EU) den gebeutelten Mitgliedsländern 750 Milliarden Euro aus einem generösen Wiederaufbaufonds in Aussicht gestellt.
Die Brüsseler Bürokraten hatten sich dafür folgendes System ausgedacht: die Länder melden in den Fonds passende Projekte an, finanzieren sie dann erst mal aus regionalen Geldern und erhalten bei erfolgreicher Umsetzung bzw. Erreichung vorher festgelegter Milestones aus dem EU-Topf Mittel erstattet. „Leistungsbasierte Budgetierung“ nennt der Brüsseler Apparat sowas. Heißt, wie es der Rechnungshof formuliert: „Die Mitgliedstaaten erhalten die EU-Mittel erst dann, wenn sie ihre Maßnahmen erfolgreich umgesetzt haben.“
Auch Deutschland könnte aus dem Wiederaufbaufonds bis zu 28 Milliarden Euro abrufen, warum nur einen so kleinen Anteil wissen die Götter. Aber selbst die sind in Gefahr, wie die Rechnungshofbeamten warnen. Der Bund gibt die Projektgelder schon seit 2020 aus. Risiko: „wenn die staatlichen Stellen ihre Meilensteine und Ziele verfehlen, kann der Bund seine Ausgaben nicht vollständig aus EU-Mitteln refinanzieren.“ Das Manko: „Die Mindereinnahmen treffen dabei den gesamten Bundeshaushalt. Sie wirken sich nicht unmittelbar auf die Ressorts aus, die dies zu verantworten haben. Dadurch fehlt in den Ressorts der finanzielle Anreiz, die Meilensteine und Ziele zu erreichen (Fetttung von mir).“
Folge: „Die für Juni 2022 geplante erste Zahlungstranche von rund vier Milliarden Euro beantragte die Bundesregierung erst noch gar nicht. Die staatlichen Stellen hatten mehrere Meilensteine und Ziele verfehlt.“ Mit einvernehmlicher Zustimmung des Europäischen Rates entfernte oder veränderte man daraufhin einfach die Meilensteine und Ziele, die sie nicht mehr erreichbar waren. Danach stellte die Bundesregierung im September 2023 den ersten Zahlungsantrag.
(Quelle: Berichte vom 7.12.23, https://www.bundesrechnungshof.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Berichtssuche/Berichtssuche_Formular.html )
Kein Mensch weiß offenbar, ob die 26 Milliarden auch alle eingesammelt werden können. Trocken vermerkt der Rechnungshof in seiner „Stellungnahme“ dazu: „Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat das Vorliegen eines Haushaltsrisikos nicht bestritten. Es hat jedoch mitgeteilt, dass eine Harmonisierung der Zahlungsströme systembedingt nicht möglich sei.“ So einfach ist das.
Offenbar resignieren sogar die Rechnungshof-Experten schon ein wenig, ob das alles bis 2026 reibungslos klappen kann. Da fordert man wenigstens Transparenz ein: „Angesichts eines Mittelvolumens von insgesamt 28 Milliarden Euro sollte das BMF den Haushaltsgesetzgeber jährlich über den Stand der Umsetzung des DARP unterrichten. Dabei sollte es darstellen, welche Meilensteine und Ziele gefährdet sind und die Haushaltsrisiken umfassend beschreiben.“ Und ist das Ganze Irrsinn, so hat es doch Methode könnte man als Steuerzahler aufstöhnen.
Noch ein weiteres Thema in Kürze. Seit Langem tobt die Diskussion um die Höhe des Bürgergelds. Der Ex-GRÜNE (von 1996-2023) und direkt gewählte Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer (Jahrgang 1972), bringt es wie schon öfter zum Unwillen seiner ehemaligen grünen Freunde ganz einfach auf den Punkt: er sei auf die Seite der Caritas gegangen und habe dort den Anspruch seiner Familie errechnen lassen. Gegenüber verschiedenen Zeitungen, darunter BILD, zeigt er sich verdutzt: die Palmers kommen trotz Deckelung auf 3.368 Euro Bürgergeld-Anspruch. Wie sagt er so schön: „Da wird man nicht reich, aber wenn ich Alleinverdiener wäre, müsste ich schon um die 4.500 brutto heim bringen, um dasselbe zu erreichen.“ Und was er dann noch anhängt erklärt, warum ihn seine GRÜNEN rausgeekelt haben: „Aktuell, so Palmer weiter, seien es „fast vier Millionen erwerbsfähige Menschen in Deutschland“, die sich „von der Gemeinschaft finanzieren lassen“. Sowas hört man auf einem GRÜNEN-Parteitag nicht.
(Quelle: BILD, 18.12.23, https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/buergergeld-wahnsinn-palmer-rechnet-sein-buergergeld-aus-und-fasst-es-nicht-86452540.bild.html und: https://www.bild.de/regional/stuttgart/stuttgart-aktuell/wegen-juden-araber-konflikt-tuebingen-streicht-die-feuerzangenbowle-86446624.bild.html )
Nun darf man aber nicht denken, dass bei Palmer kein grünes Blut mehr in den Adern rollt. Ein Tübinger Freiluftkino in der Altstadt zeigte bislang jährlich am 3. Advent einen Klassiker: die Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann (1902-1994). Zusammen mit Heißgetränken und dem gleichnamigen Bowlengetränk sowie am Ende mit Schlagern von Rühmann und Hans Albers (1891-1960) ausklingend war das Event beliebt. Nun soll sie dieses Jahr ersetzt werden. Grund für den Wechsel: das Schwarzweißlustspiel wurde 1944 im Dritten Reich gedreht und von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels (1897-1945) gefördert.
Das letzte Wort bei der Entscheidung hatte OB Palmer. Zu BILD sagt er: „Veranstalter ist der Filmhaus-Betreiber, er hatte mir gegenüber Bedenken angemeldet. Als Grund gab er die zwiespältige Vorgeschichte des Films und den derzeitigen Nahost-Konflikt an. Da habe ich gesagt, dass ich nicht auf der Feuerzangenbowle beharre.“ Klingt ja recht versöhnlich, aber hätte er nicht auch den Kinomann ermutigen können: „Mensch, der Rühmann war immer lustig und wer weiß das mit Goebbels schon noch.“
Jetzt kommt ersatzweise der Marilyn-Monroe-Streifen „Manche mögen’s heiß.“ Nicht, dass da alte Einstufungen wieder ausgegraben werden. Als der Film 1959 hierzulande in die Kinos kam, hatte die damalige Freiwillige Selbstkontrolle (FSK) ihn wegen sexueller „Schlüpfrigkeit“ und „Brutalität“ – unter anderem Männer in Frauenkleidern, mehrere Personen werden erschossen – sowie des Genusses von Alkohol zunächst erst ab 18 Jahren freigegeben und ein Vorführverbot für Feiertage verfügt.
Falls Sie noch Anregungen für den korrekten Festtagsbraten suchen.