Liebe Leser,
Japan ist das beste Beispiel einer großen Industrienation ohne nennenswerte Zuwanderung. Wie unter einer Lupe kann man dort die demographischen Auswirkungen durch wenig Geburten und dank besserer medizinischer Versorgung älterer Bevölkerung beobachten. Daher werfe ich so alle zwei Jahre einen Blick auf die dortige Entwicklung. Und nach den aktuellsten Daten der japanischen Statistikbehörde gibt es sogar so etwas wie einen aktuellen Aufhänger dazu. Am Stichtag 1. Oktober 2023 lag die Zahl der 75-jährigen und ihrer älteren Kollegen zum ersten Mal in der Geschichte des Landes über 20 Millionen. 16 Prozent oder mehr als jeder sechste Japaner fallen mittlerweile in diese Altersklasse. In Deutschland sind es zum Vergleich „nur“ 11 Prozent oder jeder Neunte.
Hier die wichtige Altersgruppen zum Ende des 3. Quartals in Tabellenform.
Neben den oben genannten Alten fällt auch der geringe Anteil an Kindern auf. Bis 14 Jahre gibt es nur 14,2 Millionen Youngster, das sind 11,4 Prozent der Bevölkerung. Zum Vergleich: im auch nicht gerade geburtenstarken Deutschland sind es wenigstens noch 14,1 Prozent. Mehr Alte, weniger Junge: das muss natürlich auch für die arbeitsfähige Bevölkerung Folgen haben. Sie macht inzwischen nur noch gut 59 Prozent der Japaner aus. Ende 2020, also vor reichlich zwei Jahrzehnten, waren es noch 68 Prozent. Und von einem Ende dieses Abwärtstrend kann keine Rede sein. Um ziemlich genau ein Siebtel hat sich die Zahl der potentiellen Arbeitnehmer dieser Altersgruppe in diesem Zeitraum verringert. Allein im letzten Jahrzehnt haben sich die geleisteten Arbeitsstunden in Japan um fast sieben Prozent verringert.
(Quelle: https://dashboard.e-stat.go.jp/en/timeSeriesResult?indicatorCode=0302010000000010000 )
Mangels Zuwanderung schlägt in Nippon die natürliche Abwärtstendenz alternder Bevölkerungen mit wenig Geburten voll durch. Seit 2004 hat es in Japan kein natürliches Wachstum (Geburten minus Todesfälle) mehr gegeben.
Gegen den Tod, wenn er denn nun einmal biologisch ansteht, kann man nichts mehr unternehmen. Aber die Geburtenzahlen wären theoretisch zu beeinflussen. Doch da zeigt sich, dass japanische Ehepaare offenbar besonders wenig Lust auf Nachkommen haben. Seit 1973 (!) ist die Zahl der Geburten ohne viele Unterbrechungen um atemberaubende 63 Prozent zurückgegangen. Und der Trend scheint sich nach unten eher zu beschleunigen. Letztes Jahr kamen nur noch 770.000 japanische Babys zur Welt – weniger waren es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht.
(Quelle: https://dashboard.e-stat.go.jp/en/timeSeries und: https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?operation=abruftabelleBearbeiten&levelindex=2&levelid=1700390349264&auswahloperation=abruftabelleAuspraegungAuswaehlen&auswahlverzeichnis=ordnungsstruktur&auswahlziel=werteabruf&code=12521-0001&auswahltext=&nummer=4&variable=4&name=GES&werteabruf=Werteabruf#abreadcrumb )
Schwer zu sagen, wo all das enden soll. Ist die Insel am Ende nur noch von ein paar Alten bewohnt und schließlich entvölkert? Wird die Zuwanderung doch forciert, gegen alle Traditionen der japanischen Abschottung seit Menschengedenken? Vorerst hat Letzteres nicht den Anschein: Anfang Oktober 2023 lebten ganze 2,3 Millionen Ausländer im Land, nur 1,9 Prozent. Zum Vergleich mal wieder Deutschland: hier liegt der Ausländeranteil bei knapp 16 Prozent. Die Netto-Zuwanderung war in Japan 2022 rund 175.000 Menschen, das ist bei einer Bevölkerung von gut 124 Millionen praktisch nichts oder exakt 0,14 Prozent. Selbst wenn man zwei Jahrzehnte nimmt, lag die Zuwanderung netto nur bei 640.000 Personen oder einem halben Prozent der heutigen Bevölkerung.
(Quelle: World Robotics 2023, https://ifr.org/downloads/press2018/Installations_regions_WR2023_high_res.jpg )
Kein Wunder, dass Japan mit letztes Jahr neu installierten 50.000 Industrierobotern international nach China (290.000) noch deutlich vor den USA, Südkorea und Deutschland (knapp 26.000) den zweiten Platz belegt. Weltweit produziert Japan laut „International Federation of Robotics“ 46 Prozent aller Industrieroboter. Auch hier scheint Asien (blaue Säulen) die satten Europäer (rote Säulen) klar abzuhängen. Erstaunlich, dass die Amerikaner da sogar noch mieser abschneiden (graue Säulen).