Liebe Leser,
der Samstag ist – weil da viele Blogleser nicht im Büro sind – eher so den nicht-ökonomischen Themen vorbehalten. Daher hier mal eine Frage, die sich mir seit Langem stellt: wieso will mich eigentlich Hinz und Kunz erziehen? Dass das die Politiker und Medien versuchen, brauche ich wohl hier nicht lange auszumalen. Da brauchen Sie nur mal umherzuschauen, wie der Kult der lieben Fahrradfahrer gegenüber den 49 Millionen auf deutschen Straßen umherrollenden bösen Pkws betrieben wird. Um das gleich vorweg zu sagen, der eine oder andere Grundgedanke mag dabei nicht einer gewissen Berechtigung entbehren, mir geht es um diese allgegenwärtige Erziehung.
Neuestes Beispiel: die Einzelhandelskette Lidl will bis 2030 den Anteil pflanzlicher Proteine von heute 11 auf 20 Prozent des Umsatzes anheben, bei Milchprodukten von sechs auf zehn Prozent. Dazu hat der Händler 20 vegane Alternativen in das Sortiment aufgenommen. Um auf diesem Weg mutig voranzuschreiten, passt der Discounter die Preise der veganen Alternativen an die Originalprodukte an. Damit will man neue Kunden bei den jungen fortschrittlichen Familien gewinnen.
(Quelle: WELT, 11.10.23, https://www.welt.de/wirtschaft/article247915546/Lidl-Veganes-nie-teurer-als-Fleisch-Das-Kalkuel-hinter-dem-neuen-Preis-Versprechen.html?source=puerto-reco-2_ABC-V32.7.B_test )
Der ökologische Vorstoß ist kein Einzelfall: Edeka kooperiert mit dem Umweltverband WWF, viele große Anbieter haben ihre Bio-Sortimente ausgebaut und vegane Ersatzprodukte ins Sortiment genommen. Nun ist das ihr gutes Recht, wenn es da die passende Nachfrage gibt, soll man die bedienen. Lidls Idee ist indes anders gelagert: dabei werden die Preise von Produkten wie Sojadrinks, vegane Schnitzel und Wurst trotz unterschiedlicher Rohstoffpreise und teils unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze an das tierische Pendant gebunden.
Wenn der Lidl-Eigner Dieter Schwarz (Jahrgang 1939/siehe Manager-Magazin-Abbildung), der bei einem vom Manager-Magazin jüngst geschätzten Vermögen von 36 Milliarden Euro bisher nicht durch sonderlichen Altruismus aufgefallen ist, die dabei auftretende Diskrepanz nicht aus eigener Tasche bezahlen möchte, dann müssen doch wohl die Preise der „klassischen“ Produkte entsprechend angehoben werden.
Heißt: die restlichen Kunden sollen die Vegetarier und Veganer subventionieren. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach leben von den gut 84 Millionen Deutschen nur 1,5 Millionen Veganer und 8,1 Millionen Vegetarier nach dieser Ernährungsweise. Auch hier wieder wohlgemerkt: natürlich darf das Lidl versuchen. Wenn der überwiegenden Mehrheit ihrer Käufer die höheren Preise egal sind und Kunden aus den Bioläden zum Lidl wechseln, kann das eine erfolgreiche Geschäftsstrategie sein.
Ob das so kommt, ist allerdings alles andere als sicher. So erntete die Ladenkette Penny mit ihrer Aktion um „wahre Preise“, die auch Folgekosten für die Umwelt berücksichtigten, auch Kritik und von einer Ausweitung der Aktion ist nicht bekannt Lidl verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass ja keine tierischen Produkte aus den Regalen genommen und sich daher für Fleischesser außer zusätzlicher Auswahl nichts ändern würde. Genau das aber bezweifele ich, klar, deren Preise werden unauffällig angehoben werden.
Und wenn der Erfolg ausbleibt, kassiert man das Versprechen genauso leise. Als der Lidl- Deutschlandchef Christian Härtnagel bei seinem Auftrag, die Geschäfte voranzubringen, sinkende Margen melden musste, wurde er per 1. Oktober überraschend in die Lidl-Stiftung abgeschoben. Wie in solchen Fällen üblich gab es dafür natürlich laut Lidl „persönliche Gründe“.
Wie gesagt, darf Lidl alles machen, mich stört die Denkweise dahinter. Was geht es denn eigentlich die Lidl-Chefs an, was ich in der Bratpfanne haben will? Die sollen mir den Kram anbieten und wenn ich Veganer bin, dann kaufe ich das Ersatzzeug zum normalen Preis. Wenn das immer mehr tun, werden dessen Preise aller Erfahrung nach sogar sinken. Ich hoffe nur, dass bei der aktuellen Aktion Kunden im klassischen Segment verloren gehen, denn sonst kostet die Bratwurst irgendwann 10 Euro, damit ein „Müsliman“ sich seine Zutaten billiger kaufen kann.
Weil wir gerade gedanklich im Supermarkt waren: als die Firma Neuralink von Elon Musk (Jahrgang 1971) Ende Mai die Genehmigung der US-Gesundheitsbehörde erhielt, Tests mit Chips im Gehirn von Menschen vorzunehmen, dachte ich noch, Musk und Behörde seien übergeschnappt. Doch ein Einkauf bei Edeka hat mich dazu auf andere Gedanken gebracht.
(Quelle: ZDF, 26.5.23, https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/musk-neuralink-gehirn-computer-chips-100.html )
Beim Schieben des Einkaufswagens durch den Laden, vor allem auch an der Kasse und beim Bezahlen sah ich mehrere Zeitgenossen, die permanent das Handy hinters Ohr geklemmt hielten. Ich wollte schon auf mögliche Verspannungen der Nackenmuskulatur aufmerksam machen. Mit dem Musk-Chip in der Birne aber würde sich dieses Problem sofort lösen.
Alternativ könnte man auch Bluetooth-Ohrlautsprecher verwenden. Aber das wäre natürlich dann nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum perfekten elektronischen Glück, bei dem man auch noch unter der Dusche mit allen kommunizieren kann. An der Kasse stand ich hinter so einem Dauertelefonierer mit schiefem Genick und konnte seinem Gespräch zufällig lauschen. Da ging es darum, dass er sich derzeit nicht auf seine Diplomarbeit konzentrieren könne. Kunststück, wenn er unendlich lange rumquasselt.
Ein schönes Wochenende, temporär ohne Handy am Ohr, wünscht