Liebe Leser,
heute eine Zusammenstellung ganz verschiedener Themen, dies aber in gebotener Kürze, damit Sie nicht zu lange vom Frühstück abgehalten werden.
Erstes Thema. Man glaubt es ja immer nicht, wie dämlich Politiker sein können, aber das schließt Ungemach durch ihre (Un)taten nicht aus. Da in Washington 1. Oktober ein neues Haushaltsjahr beginnt, diskutiert dort das Repräsentantenhaus eine Reihe von Ausgabengesetzen zur Finanzierung der Regierung. Diesmal ist das wieder ein besonders zäher Hickhack, „da die Republikaner Schwierigkeiten haben, in ihren eigenen Reihen eine gemeinsame Basis zu finden, geschweige denn mit den Demokraten“, so beschreibt die Anlagezeitschrift Barrons die verworrene Lage.
Viele Republikaner drängen auf Kürzungen, der sogenannte „Freedom Caucus“, eine Gruppe konservativer Hardliner, sogar auf sehr starke Kürzungen. Die regierenden Demokraten hingegen wollen die Ausgaben erhöhen, nicht zuletzt für Mittel im Ukrainekrieg und Hilfe bei Naturkatastrophen. Angesichts der schwierigen Einigung droht nun wiedermal der berühmt/berüchtigte Shutdown, bei dem die Arbeit der Regierung weitgehend brach liegt.
Noch können die Parlamentarier ein Notgesetz verabschieden, das die Finanzierung der Regierung aufrechterhält, während sie diese Differenzen ausgleichen. Aber die Zeit läuft ab. Wenn der Kongress bis zum Samstagabend keine Maßnahmen ergreift, wird die Regierung zum vierten Mal im letzten Jahrzehnt ohne Geld schließen.
Nun muss das für die Finanzmärkte, obwohl es sich heiß anhört, keine Katastrophe bedeuten. Ich habe Ihnen mal zwei Beispiele für die beiden längsten Shutdowns 1996/97 in zwei Wellen mit 26 Tagen und 2018/19 gar 35 Tagen herausgesucht. In beiden Fällen stiegen die Aktienkurse, bei den längsten „Regierungsferien“ gar um gut 10 Prozent.
(Quelle: Barrons, 26.9.23, https://www.barrons.com/articles/government-shutdown-whats-at-stake-ab166f1f?mod=hp_LEAD_1 )
Die größten jährlichen Ausgaben der US-Regierung sind Renten- und Gesundheitsprogramme wie Medicare, Medicaid und die Sozialversicherung. Sie kosteten letztes Jahr fast drei Billionen Dollar, also die Hälfte des Gesamthaushalts. Um die geht es überraschend wenig. Vielmehr fordern die Republikaner Kürzungen von jährlich über 100 Milliarden Dollar bei Programmen für Bildung, medizinische Forschung, Hilfe für Menschen in Armut sowie bei Strafverfolgung und Grenzsicherung. Da der Chaot Trump im Hintergrund irgendwie mitmischt, sollte man sich eine flotte Einigung wohl eher nicht erhoffen.
Das war jetzt schon der längste Text, keine Bange. Das nächste Thema besteht im Wesentlichen aus einer Tabelle. Ich habe Ihnen für die wichtigsten Länder mal die Anleihezinsen und die Inflation gegenübergestellt. Daraus errechnet sich dann der Realzins in der rechten Spalte. Die Übersicht ist von den höchsten bis zu den niedrigsten Sätzen gereiht, die dem Anleger bei zehnjährigen Papieren nach Inflationsrate übrig bleiben.
Ganz oben steht ein im Augenblick ein eher akademisches Beispiel, denn Sie können dort nicht über ihre Bank kaufen. Immerhin interessant, warum denn nun Russland die höchsten Realzinsen bietet? Nun ja, der Kreml ist halt im Krieg. Und da stellen sich den Machthabern ökonomisch immer die gleichen Fragen: vor allem, wie halte ich die private Nachfrage im Zaum, wenn ich Rohstoffe und Arbeitskräfte stärker für die Rüstung brauche?
Letzteres erklärt auch, warum zur Verblüffung vieler westlicher Beobachter die russische Wirtschaft trotz Sanktionen ganz passabel läuft. Bomben. Panzer und Raketen werden flott nachgefragt und für die braucht Moskau nur wenig auswärtige Güter. Die clevere Zentralbankchefin hält daher die Zinsen hoch. Sie will verhindern, dass dieser größere Staatsbedarf mit privater Nachfrage kollidiert und die Inflation anschiebt.
Genau das Gegenbeispiel bieten die Türken. Zwar hebt auch in Ankara die neue Notenbankchefin die Zinsen schwer an, aber wohl zu spät und immer noch zu wenig. Denn bei 59 Prozent Inflation wirken optisch hohe fast 25 Prozent langfristige Zinsen immer noch wie ein Hohn. Allein die obige Liste zeigt 14 Staaten, wo die Zinsen real unter null liegen, darunter auch immer noch in Deutschland. Dass eine „Zehnjährige“ nur 2,8 Prozent Rendite bringt, kann man wohl bei zuletzt über sechs Prozent nur damit erklären, dass alle Welt mit einem Rückgang der Preissteigerungen rechnet. Schauen Sie einfach mal selbst nach Ländern, die Sie interessieren.
Nächstes Kurzthema. In der Morgenmail „TUI: Kursverlauf mit Fragezeichen“ hatte ich Sie am 28. August auf die starke Spekulation auf Baisse in der Aktie dieses Tourismusriesen hingewiesen. Inzwischen ist der Titel noch einmal um ein Zehntel weiter im Kurs gefallen, obwohl über die laufende Reisesaison durchaus positive Nachrichten veröffentlicht wurden.
Nun scheint sich so etwas wie ein Showdown anzubahnen. Der Preis des Papiers schrumpft wie ein Abrisskalender, aufsehenerregend dabei sind jedoch mehr noch die gewaltigen Umsätze. Schon nach eineinhalb Stunden waren gestern auf der wichtigsten Plattform Xetra rund sechs Millionen Aktien gehandelt worden – 1,3 Prozent der dem Markt zur Verfügung stehenden Titel.
Am Ende der achteinhalb Xetra-Stunden waren dann einschließlich der Nebenschauplätze wohl so um die 13 Millionen Aktien oder fast drei Prozent des Freefloats umgesetzt worden. Auffällig auch, dass dieses hohe Handelsvolumen seit Wochen anhält (siehe Markierung). Zu den heutigen Kursen kann kein einziger Anleger mit Gewinn verkaufen, weil das die niedrigsten Notierungen aller Zeiten sind.
(Quelle: SPIEGEL, 25.9.23, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/hochrangiger-bundeswehrgeneral-nach-sexuellen-vorwuerfen-suspendiert-a-3b53a6ff-8953-4d7c-a6ca-f0feef006dd0 )
Und noch ein Schmankerl zum Schluss. Im Zusammenhang mit der vorläufigen Entbindung eines hochrangigen Bundeswehrgenerals von seinen dienstlichen Pflichten – er hatte einem Soldaten ohne dessen Zustimmung einen Kuss auf den Mund geben wollen – zitiert der SPIEGEL aus einem internen Papier des Verteidigungsministeriums.
Danach soll jede Form von sexueller Belästigung „einen schwerwiegenden Angriff auf die Würde und die körperliche Integrität der betroffenen Person darstellen“ und daher nicht geduldet werden. Dazu gehörten nicht nur körperliche Attacken, sondern auch „Bemerkungen sexuellen Inhalts“ oder das Aufhängen von Pornobildern in Kasernen. Die Vorgesetzten sind laut SPIEGEL verpflichtet, „in solchen Fällen sofort einzuschreiten und disziplinarische Ermittlungen einzuleiten“.
Ich weiß nicht, wie es heute beim „Bund“ so zugeht, aber bei Erinnerung an meinen Wehrdienst 1974 hätte die Truppe damals bei solcherart Durchgreifen ihre Kampfkraft komplett eingebüßt.