Liebe Leser,
ich möchte hier möglichst nicht in Gefahr geraten, Ihnen mit meinen Anmerkungen zur Inflation auf den Wecker zu gehen. Aber erstens ist sie nun mal in den vergangenen Monaten auch im Alltagsleben eines der Hauptthemen gewesen und zweitens gab und gibt es in diesem Bereich in letzter Zeit spektakuläre Bewegungen – erst nach oben und nun nach unten. Zu denen gehört der am Mittwoch veröffentlichte Wert für den Index der Industriellen Erzeugerpreise. Er sank im August im Vorjahresvergleich um einen Nachkriegsrekord von 12,6 Prozent.
Ein Jahr ist es her, dass er im September 2022 um atemberaubende 45,8 Prozent über dem Vorjahr gelegen hatte. Das war der Höhepunkt der turbulenten Monate nach Ausbruch des Ukrainekrieges, als die ganze Industrie wie wild nach Vormaterialien und Energie jagte und sich diese vorsichtshalber so weit wie möglich ins Lager legte.
Und damit ist auch gleich der jetzige Tiefenrekord erklärt: als sich die Preise in der Industrie ab diesem Hoch auch absolut abzuschwächen begannen, schrumpfte der prozentuale Vorjahresvergleich rasant dahin. Der August-Wert 2023 liegt trotz einer leichten Stabilisierung im Abwärtstrend immer noch 14,6 Prozent unter dem September-Top.
Der gerade bei den Erzeugerpreisen vorgeführte Basiseffekt lässt mich weiterhin – wie schon öfter hier geäußert – vermuten, dass auch die Verbraucherpreise im laufenden Monat September 2023 erstmals wieder unter die Fünf-Prozent-Marke absinken werden, die sie im März 2022 nach Kriegsausbruch erstmals seit Juli 1982 (!) übersprungen hatten. Ob das nun für September eher 4,5 Prozent oder bis zu 4,8 Prozent werden, hängt von diversen in der Kombination schwer abzuschätzenden Faktoren ab, aber der Spitzenwert von 8,9 Prozent vom Oktober 2022 wäre damit doch in weite Ferne gerückt.
Wenn es denn einen Risikofaktor für das deutsche Preisgefüge gibt, ist das die Energie. Der Ölpreis wirkte seit Jahresanfang wie ein starker Dämpfer. Der hat sich jetzt – in Euro gerechnet – wieder verteuert. Die folgende Grafik setzt für diesen Preis im September mal die gestrigen Werte für Brent-Öl und Dollar an (rote Linie), während die Verbraucherpreise in der braunen Linie nur den August-Wert berücksichtigen.
Ich glaube zwar nicht, dass der Ölpreisaufschwung so weiter geht, weil dazu die Nachfrage global zu schwach bleibt, aber wenn man sich mit Prognosen beschäftigt tut man gut daran, auch die Risiken für das ausgedachte Szenario (in diesem Fall Inflationsrückgang) mit zu bedenken.
Themenwechsel. Ich habe Ihnen schon verschiedentlich über den immer rareren Neubau von Einfamilienhäusern berichtet. Was Schimpfen wegen Flächenverbrauch und Verschwendung der selbsternannten Meinungslenker nicht vermocht haben, ein urkapitalistischer Impuls bringt es zuwege: die immer höheren Preise des Baus, gepaart mit teurerem Fremdkapital lassen die Nachfrage immer tiefer sacken. Im Juli wurden mit in ganz Deutschland 3.864 die wenigsten Bauanträge für solche Eigenheime eingereicht, seit die Zahlen vor zwei Jahrzenten erstmals so tief aufgegliedert wurden.
Ein Wunder ist es nicht, dass höhere Belastungen beim Einfamilienhaus mehr reinhauen. So ein „Luxusobjekt“ ist im Schnitt 154 Quadratmeter groß und kostet schon in der Planung seit Jahresbeginn im Schnitt gut 362.000 Euro. Das ist ziemlich genau das Doppelte dessen, was der Bau einer Wohnung im Mehrfamilienhaus erfordert, die halt auch nur etwa halb so groß (75 Quadratmeter) ist. Hier mal die veranschlagten Baukosten einer Wohneinheit für die beiden Haustypen.
Es leuchtet ein, dass bei der absolut höheren Bausumme die Interessenten bei den größeren Objekten schneller an ihre finanziellen Grenzen geraten, als wenn sie billigere Wohnungen kaufen oder auch nur mieten. Solange der Preisdruck nicht stärker nachlässt und die erhöhten Zinsen wieder fallen, wird sich daran auch kaum etwas ändern. Und selbst dann wird das erreichte Preisniveau noch bremsen, solange die Baukosten nicht sinken. Man sollte auch nicht vergessen, dass die genannten 362.000 Euro für ein Einfamilienhäuslein ein bundesweiter Durchschnittspreis sind, da ist dann auch der Billigbau in der Eifel mit drin.