Liebe Leser,
fast 1,2 Milliarden Menschen haben in den 27 Ländern der EU im ersten Halbjahr ihren Kopf als Reisende in ein Bett des Beherbergungsgewerbes gelegt. Das war der höchste Stand seit einem Jahrzehnt und ein glänzendes Come-back nach der trüben Corona-Zeit.
Man muss lange suchen, um einer Ferienregion zu finden, wo es nicht aufwärts ging. Auf Plattensee und Salami hatten die Touristen offenbar nicht mehr Bock als im Jahr zuvor: Ungarn verbuchte im Vergleich zu 2022 ein hauchdünnes Minus von 0,3 Prozent. Am besten legte in der EU der internationale Tourismus zu: gut 22 Prozent mehr Touris buchten Urlaub in anderen Ländern, während die inländischen Übernachtungen nur knapp sechs Prozent zulegten.
(Quelle: eurostat, 15.9.23, https://ec.europa.eu/eurostat/en/web/products-eurostat-news/w/ddn-20230915-1 und: INE, https://www.ine.es/jaxiT3/Tabla.htm?t=2074&L=1
Damit erreichte der länderübergreifende Tourismus – wie die Grafik zeigt – von Januar bis Juni 2023 wieder einen Anteil von 54 Prozent und damit sogar etwas mehr als 2019 vor der Seuche. Über 640 Millionen Auslandstouristen brachten diesem Bereich ein Plus von rund drei Prozent im Vergleich zum letzten „Normaljahr“ 2019.
Ein gutes Beispiel liefert Spanien. Noch nie kamen in den ersten sieben Monaten eines Jahres mehr ausländische Touristen ins sonnige Land als dieses Jahr. Fast 19 Prozent mehr Gäste als im Vorjahr besuchten das Land und noch einmal 0,5 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019. Kein Wunder, dass sich zuletzt das Wachstum gegenüber dem Vorjahr abschwächte. Aber auch im Juli lagen die Übernachtungen noch fast drei Prozent über dem Superwert 2019. Mehr Ausländer als in diesem Monat kamen noch nie in spanische Herbergen. Die Zahlen sind vom Instituto National de Estasistica, also direkt von der Quelle in Madrid.
Themenwechsel. „Die Regierung ignoriert alle Warnungen. Immer noch befeuert sie die Klimakrise und hat uns damit an den Rand eines Abgrunds gebracht. Wir sind nicht länger bereit, dieses Verbrechen an der Menschheit widerstandlos hinzunehmen. Wir werden nicht abwarten während ein Staat nach dem anderen kollabiert“, warnt die „Letzte Generation“ mehr als eindringlich. Angesichts solcher globalen Bedrohung braucht man dringend Geld für den Widerstand. Da ist es natürlich für die Aktivisten bedrückend, dass edle Spender ihre Gaben nicht mehr von der Steuer absetzen dürfen.

(Quelle: Letzte Generation, https://letztegeneration.org/wer-wir-sind/ und: https://letztegeneration.org/spenden/ und: https://gesellschaftsrat.jetzt/spenden/ )
Doch bei größeren Spendern hilft ein extra Team, dass daheim anruft und Rat und Hilfe anbietet. Und es gibt auch schon auf der Internetseite augenzwinkernde Tipps: „Wenn Du deine Spende steuerlich geltend machen möchtest, empfehlen wir dir, an die gemeinnützige ‚Initiative Gesellschaftsrat‘ zu spenden. Die Initiative ermöglicht es Menschen, ihren Job zu reduzieren und stattdessen gemeinnützig für die Anliegen der Letzten Generation einzutreten.“
Dort wird man dann mit dem Hinweis empfangen, dass von ihr „ca. 100 Menschen“ der „Letzten Generation“ unterstützt werden. Dafür soll man spenden, „damit sie auch in ein bis zwei Monaten noch weitermachen können“. Scheint mir hart an der Grenze zur Steuerberatung und auch ein wenig tricky zu sein, aber was zählt das angesichts des globalen Kollaps schon?
Daneben kann man seine Knete auch dem Umwelt-Treuhandfonds (UTF) zukommen lassen. Der soll die Rechtskosten nach „friedlichem Protest“ bezahlen. Denn die „Letzte Generation“ jammert: „Wir werden gerade mit Ermittlungen und Strafverfahren überhäuft. Um Betroffenen auch weiter eine angemessene Verteidigung vor Gericht zu ermöglichen, braucht der UTF jetzt Geld. Mit deiner Spende hilfst du uns, trotz der vielen Verfahren nicht den Mut zu verlieren.“
(Quelle: Gesellschaftsrat jetzt, https://gesellschaftsrat.jetzt/spenden/ und: Umwelt-Treuhandfonds (UTF), https://letztegeneration.org/spenden/#:~:text=Die%20Initiative%20Gesellschaftsrat%20Jetzt%20ist,abseits%20der%20Bildungsarbeit%20zu%20decken. )
Ein Wunder ist der Aufruf nicht. Alleine in Berlin laufen laut dortiger Staatsanwaltschaft gut 2.400 Verfahren gegen Mitglieder der Organisation, sechs Mal so viele wie gegen die „Aufgewühlt-Konkurrenz“ von „Extinction Rebellion“. Da ist einiges zu tun, denn noch liegen nur 74 rechtskräftige Urteile zumeist wegen Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vor, darunter zwei mit Freiheitsstrafen.
Anklagen wurden von den Staatsanwälten bislang erst in 87 Fällen erhoben. Meist bleibt es wie bisher in 848 Fällen bei Beantragung eines Strafbefehls. Erst wenn gegen solche Strafbefehle Einspruch eingelegt wird, kommt es zur mündlichen Verhandlung. Häufig richten sich Vorwürfe gegen dieselbe Person. Dann werden mehrere Verfahren verbunden. Laut Staatsanwaltschaft war das bei der „Letzten Generation“ bislang in 820 Fällen so.
Ein paar neue Fälle dürften noch dazukommen. Am Sonntag besprühte die „Letzte Generation“ alle Säulen des Brandenburger Tors in Berlin mit orangener Farbe. Man braucht sich nicht zu wundern: in der Logik der Proteste liegt, dass man immer spektakulärere Aktionen machen muss, um noch Aufmerksamkeit zu erregen. Welches Käseblatt berichtet schon noch über eine Klebeaktion an einer Berliner Straßenkreuzung?
(Quelle: ntv, https://www.n-tv.de/politik/Letzte-Generation-besprueht-Brandenburger-Tor-article24402351.html )
Da bin ich gespannt, wann es sogar den weichgespülten Politikern in Spreeathen zu viel wird. Vermutlich müssen die aufgeregten Endzeitfanatiker in deren Büros die Müslipackungen mit Rizinus versetzen. Die „Grüne Jugend“ hat denn auch gleich eine bessere Idee, als festgeklebt auf der Straße zu hocken. Ich dachte bei dem Bild übrigens erst, das sei Werbung für ein neues Jugendprogramm im Fernsehen. Dabei treten ihre beiden Vorsitzenden schon wieder von ihren Vorsitzposten ab: Sarah-Lee Heinrich (Jahrgang 2001) und Timon Dzienus (Jahrgang 1996).
(Quelle: Tagesschau, 17.9.23, https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/klimaproteste-letzte-generation-verfahren-berlin-100.html und: 14.9.23, https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/gruene-jugend-108.html )
Der männliche Part Dzienus: „Unsere Botschaft lautet: Arbeitskämpfe sind besser als Straßenblockaden. Wir wollen als Teil der Klimabewegung Aktionsformen finden, die arbeitende Menschen nicht gegen uns aufbringen, sondern für unsere gemeinsame Sache organisieren.“ Dafür will Partnerin Heinrich, für die ihre Amtszeit ebenfalls im Oktober endet, den „Schulterschluss zwischen der Klimabewegung und den Gewerkschaften“ suchen.
Na hoffentlich gehören die zu überzeugenden Arbeitnehmer nicht der Gruppe an, die – genervt von den Klimaklebern – bei Demos so rabiat gegen sie vorgegangen sind, dass allein in Berlin 82 Strafanzeigen wegen Nötigung, Beleidigung, aber auch gefährliche Körperverletzung vorliegen. Die arbeitende Bevölkerung kann sehr unrevolutionär sein, wie einst 1971 schon Joseph Martin „Joschka“ Fischer (Jahrgang 1948) erfahren musste, der bei einer seiner wenigen Festanstellungen im Opel-Werk Rüsselsheim aufwiegeln wollte.

(Quelle: Joschka Fischer, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Joschka_Fischer und: https://schmid.welt.de/2017/02/18/bei-opel-warum-ich-vor-fast-50-jahren-ohne-not-in-die-fabrik-ging-eine-spurensuche/ )
Sein damaliger Genosse, der es später erstaunlicherweise bis zum WELT-Herausgeber brachte, Thomas Schmid (Jahrgang 1945), resümiert das Ende der Aktion nach einem halben Jahr: „Arbeiterromantik – das hatte er uns Studenten voraus – ging ihm vollkommen ab. Auch wir anderen verließen nach und nach Opel. Niemand hatte dort auf eine Revolution gewartet.“ Fischer war da schon nach einer wilden Rede fristlos gekündigt worden.