Liebe Leser,
Schuss in den Ölofen: per Schiff – da fallen Sanktionen schwer – hat Russland in den ersten fünf Monaten 2023 ein Drittel mehr Öl exportiert als im gleichen Zeitraum des letzten Vorkriegsjahres 2021. Da ging es immerhin um die Größenordnung von monatlich vier Millionen Tonnen. Dabei haben sich die westlichen Partner in Amerika, Europa und Japan zumindest seit Anfang vorigen Jahres durchaus an ihre Versprechen gehalten, wenigstens direkt kein Russenöl mehr in ihren Häfen anlanden zu lassen. Ob was auf Umwegen fließt ist schwer zu eruieren. In der braunen Line sieht man, wie seitdem immer weniger der Exporte aus Putins Quellen auf sie entfällt. Dafür sind dann aber andere Abnehmer freudig in die Bresche gesprungen, wie die rote Linie anzeigt. Und auch an unbekannte Empfänger ging mehr russisches Öl in See, siehe blaue Linie.
Schaut man noch etwas tiefer in die Statistik, die leider nur bis Mai vorliegt, dann kann man vor allem drei dicke Käufer erkennen: zuletzt allen voran Indien, China und – mengenmäßig deutlich kleiner – das NATO-Mitglied Türkei. Allein Indien und China nahmen statt 2021 knapp 21 Millionen Tonnen voriges Jahr 68 Millionen Tonnen Russenöl ab. Die Mehrabnahme entsprach gut 340 Millionen der berühmten Barrel (Ölfässchen). Nimmt man mal grob 15 Dollar Ersparnis gegenüber dem in der restlichen Welt üblichen Durchschnittspreis 2022 (Brent/WIT-Urals), dann ersparte das Delhi und Peking letztes Jahr rund fünf Milliarden Dollar an Ölimportkosten. Nebenbei gesagt: China importiert über die ESPO-Pipeline auch noch monatlich rund 2,5 Millionen Tonnen sibirisches Öl per Rohleitung, das aber vermutlich zu vertraglich langfristig festgelegten Preisen.
(Quelle: Figure 3: Monthly Landings of Russian Crude Oil by Region, Bruegle, https://www.bruegel.org/dataset/russian-crude-oil-tracker )
Nun kann man als Freund von Sanktionen frohlocken, dass der Kreml fünf Milliarden an die beiden Länder sozusagen verschenken musste. Man könnte aber auch denken, ein Teil davon hat der westliche Verbraucher spendiert. Und so richtig harsch hört sich der Boykott dann auch wieder nicht an, denn 25 Milliarden Dollar dürfe Putin aus den beiden Ländern trotzdem eingenommen haben. Und dieses Jahr könnte es, so wie die Mengen bisher und die Preise aussehen, eher mehr als weniger werden. Kein Wunder, dass diverse Staatschefs Delhi ins Gewissen reden wollen, sich der Zurückhaltung des Westens beim Russenöl anzuschließen. Aber bei der Abwägung von westlicher Freundschaft und blanken Dollars dürfte das Ergebnis auch in Zukunft ziemlich klar sein.
Anderes Thema. Heute beginnt vor dem Bonner Landgericht ein brisanter Prozess, der sich wohl bis in den März nächsten Jahres hinziehen dürfte: Christian Olearius (Jahrgang 1942), 28 Jahre Chef der noblen Hamburger Privatbank M.M. Warburg, steht wegen Cum-Ex-Geschäften seines Instituts vor dem Richtertisch von Marion Slota-Haaf, bei denen in 15 Fällen Steuern von 280 Millionen Euro hinterzogen worden sein sollen. Laut Manager-Magazin kommt dem Landgericht „eine zentrale Rolle bei der Aufklärung der Cum-Ex-Geschäfte zu, durch die die Steuerzahler um Milliarden von Euro geschädigt wurden“. Denn dort wurden bereits einige Fälle verhandelt, bei denen empfindliche Strafen herauskamen.
(Quelle: MM, 17.9.23, https://www.manager-magazin.de/finanzen/cum-ex-prozess-gegen-ex-warburg-bankier-christian-olearius-beginnt-in-bonn-a-c63e3940-ff7e-4057-ae63-077422e19559 )
Brisant ist in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht vor allem, dass in die Aufklärung der strafrechtlichen Vorgänge auch das Verhalten des damaligen Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz (Jahrgang 1958) hineinspielen könnte/dürfte. Und ob der inzwischen 81-jährige Olearius angesichts einer drohenden mehrjährigen Haftstrafe auch solche Erinnerungslücken wie der heutige Kanzler hat, ist durchaus spannend. In der Ganovensprache: hält der Christian dicht? Wenn nicht, könnte das für Scholz zumindest peinlich werden.
Schlussthema. Nun stellen Sie sich einfach mal vor, das Gymnasium Ihrer Tochter richtet einen Projekttag „rechte Politik“ aus und macht die Teilnahme an einer AfD-Veranstaltung zur Pflicht. Ein Aufschrei würde bei Bekanntwerden durch die Presse gehen. Umgekehrt scheute man sich an der Gerda-Taro-Schule in Leipzig nicht, bei einem „Projekttag Nachhaltigkeit“ am 15. September 2023 den Schülern das Mitlaufen bei einer dreistündigen Demonstration von „Fridays for Future (FFF)“ zwingend vorzuschreiben: „Die Teilnahme an der Veranstaltung sowie der Vor und Nachbereitung sind aber verpflichtend.“
Ob der Brief an die „sehr geehrten Eltern und Erziehungsberechtigten“, den mir ein Leser mit dem Kommentar „Offizielle Teilnahmepflicht für Schüler an der #FFF-Demo in Leipzig. Wie früher zu DDR-Zeiten“ zugeleitet hat, echt ist, kann ich nicht überprüfen, weil der Empfänger offenbar anonym bleiben wollte. Die Demo aber war von FFF angekündigt und ist auch gelaufen, das habe ich gecheckt. In der FFF-Teilnaheaufforderung werden auch vier Blocks genannt, die in vorgegebener Reihenfolge marschieren sollten: FFF am Anfang, dahinter der „antikapitalistische Block“.
(Quelle: FFF, https://fffleipzig.de/globaler-klimastreik-15-09/programm/ und LZ, 15.9.23, https://www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2023/09/klimastreik-kapitalismus-liveticker-demonstration-fridays-for-future-leipzig-554783 )
Die Leipziger Zeitung berichtete dann am 15. September in einem Live-Blog vom Anmarsch und der Demo eine Spur enttäuscht: „Die Zeiten, in denen sich eine fünfstellige Personenzahl zum „Klimastreik“ versammelt hat, ist offenbar vorbei. Aktuell gehen wir von einer niedrigen vierstelligen Zahl an Teilnehmer*innen aus.“ Und die Zeitung schreibt: „In diesem Jahr steht der Klimastreik unter dem kämpferischen Motto ‚You burn our planet, we burn your system!‘, also: ‚Ihr verbrennt unseren Planeten, wir verbrennen euer System‘. Was die mittlerweile klar antikapitalistische Ausrichtung der Leipziger Ortsgruppe noch einmal unterstreicht.“ Würden Sie in Leipzig leben, müsste Ihre Tochter dann als schulische Leistung hinter den im nächsten Foto gezeigten Leutchen und ihrer Losung „Gegen Staat und Kapital“ hermarschieren.
(Quelle: LZ, Bild 37, https://medien.l-iz.de/img/i2lfem?l=de und: https://taroschule.de/projekttage/ )
Ob Sie das gut oder schlecht fänden, überlasse ich Ihrem Urteil.