Liebe Leser,
noch ein kleiner Nachtrag zum Thema Inflation vom gestrigen Dienstag. Mit 6,2 Prozent fiel der Anstieg der Verbraucherpreise im Juli zwar gegenüber den 6,4 Prozent des Vormonats leicht zurück, liegt aber immer noch auf vergleichsweise enttäuschend hohem Niveau. Allerdings spielten dabei Sonderfaktoren eine Rolle, die im September wesentlich geringer sein dürfte
Einer der großen Auslöser des Inflationsschubes, die Energiekosten, Sie erinnern sich an die Kalamitäten mit Putins Gas, stagniert nun schon seit über einem Jahr unter Schwankungen auf hohem Niveau. Offenbar kommen die internationalen Preisrückgänge hier beim Verbraucher erst mit Verzögerung an. Kein Wunder, die Lieferanten konnten den Höhenflug (z.B. des Gaspreises) temporär gar nicht weiter geben und zögern offenbar auch jetzt mit der Preisrücknahme. So kostete das Erdgas bei Ihnen auf der Rechnung der Stadtwerke im Juli immer noch 26 Prozent mehr als im Juli 2022. Bei anderen Energien merkt man den Rückgang indes schneller: so kostet Diesel im Juli gut ein Fünftel weniger als im Jahr zuvor.
Der nächste große Preisschub kam dann bei den nicht unwichtigen Preisen für Nahrungsmittel (12 Prozent Anteil am Warenkorb). Doch auch dieser Teil stagniert nun seit März 2023. Nur im Jahresvergleich bleiben noch saftige Zuwachsraten. Aber der Markt funktioniert auch hier noch: Butter wurde übers Jahr nach einem abrupten Preishöhenflug nun im Jahresvergleich 26,4 Prozent billiger.
(Quelle: destatis, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/08/PD23_311_611.html und: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/verbraucherpreise-preisentwicklung.html )
Nimmt man diese beiden Bereiche – Nahrungsmittel und Energie – raus, dann lag die Inflationsrate „nur“ noch bei 5,5 Prozent. Richtig kräftig teurer wurden im verbleibenden Restbereich vor allem Gaststätten und Hotels, die in ihrem Leistungen für den Gast im Jahresvergleich stolze 7,6 Prozent drauflegten. Auch Pauschalreisen wurden um 11,2 Prozent teurer. Nun haben diese beiden Kostentreiber mit 4,7 und 1,3 Prozent Anteil am Warenkorb nicht so wirklich gigantische Bedeutung. Aber sie spiegeln Engpässe und hohe Nachfrage wider.
Überraschend ruhig der Komplex Wohnen mit allen Nebenkosten, wenn man hört, wie da allgemein gejammert wird. Dieser Komplex macht fast 26 Prozent des Warenkorbs der Verbraucherpriese aus und verteuerte sich im Jahresvergleich unterdurchschnittlich um 5,0 Prozent. Vor allem legte er im Vergleich zum Vormonat nur um 0,1 Prozent zu, rechnen Sie das mal aufs Jahr hoch, das würde ganzjährig mit 1,2 Prozent aber sowas von unter der Inflationsrate liegen.
Per Ende August läuft auch eine andere Besonderheit im Jahresvergleich aus: von Juni bis August 2022 drückte das „Befristete 9-Euro-Ticket“ den Preisindex für die „kombinierte Personenbeförderung krass um fast zwei Drittel nach unten. Auch wenn es jetzt das „Deutschlandticket“ gibt, wird da im Jahresvergleich ab September 2023 ein starker Anstiegs-Prozentsatz wegfallen.
Nimmt man bis zum Monat September nur noch einen moderaten monatlichen Anstieg an, dann würde die Inflationsrate für diesen Monat auf 4,2 Prozent fallen und im Oktober dann in Richtung 3,5 Prozent weiter absinken. Würde sich der Trend fortsetzen, was natürlich eine gewagte Annahme ist, könnte die Inflationsrate per März 2024 gen zwei Prozent fallen. Aber das ist reine Spökenkiekerei.
Themenwechsel. Wenn ein Börsianer was für extreme Nachrichten aus Unternehmen übrig hat, dann kommt er beim Gas- und Stromlieferanten Uniper voll auf seine Kosten. Nicht einmal ein Jahr ist es her, da hätte das Düsseldorfer Unternehmen durch die extremen Preissprünge beim Erdgas ohne Staatshilfe den Gang zum Amtsgericht antreten müssen.
Die Bunderegierung gab dann Garantien und zeichnete eine riesige Kapitalerhöhung. Die ließ die Zahl der Uniper-Aktien auf 8,3 Milliarden anschwellen und die bisherigen Anteilseigner – einschließlich Ex-Großaktionär Fortum – durch Verwässerung extrem alt aussehen. Seither hält der Bund 99 Prozent des Aktienkapitals. Bilanz des Katastrophenjahres 2022: unter dem Strich 7,4 Milliarden Miese.
Nun der Schwenk: 2,5 Milliarden Euro verdiente der Konzern allein im 1. Halbjahr 2023, ganzjährig soll ein Überschuss im mittlerer einstelliger Milliardenhöhe verbleiben. Rein rechnerisch wäre die Aktie mit vielleicht 60 Cents Gewinn bei einem Kurs von sechs bis sieben Euro gar nicht mal teuer. Aber Vorsicht scheint in mehrfacher Hinsicht angebracht. Hier mal zur Erinnerung der Preis für europäisches Erdgas an der Terminbörse.
(Quelle: TradingEconomics, https://tradingeconomics.com/commodity/eu-natural-gas )
Denn Finanzvorständin Jutta Dönges wies bei der Erläuterung des Halbjahresergebnisses darauf hin, dass Uniper dieses Jahr von Absicherungsgeschäften im Bereich Stromerzeugung mit Kohle und Gas sowie im Gashandel profitiert hat. Das Ergebnis beruhe daher zum großen Teil auf außergewöhnlichen Effekten und werde sich so in den nächsten Jahren vermutlich nicht wiederholen.
Auch wichtig: der Konzern, der sich bisher stark auf Kohle gestützt hat (z.B. Datteln IV) will bis 2040 absolut klimaneutral werden. Dazu müssen in den kommenden Jahren acht Milliarden Euro investiert werden. Hohe Investitionen aber drücken immer erst mal auf die Margen, denn das Baugeld ist sofort weg, die Erträge kommen bestenfalls später hinterher.
Und last not least muss der Bund bis Ende 2028 wegen Auflagen der EU-Kommission seine Beteiligung von 99 wieder auf 25 Prozent zurückführen. Uniper prüft außerdem die Rückzahlung überschüssiger Beträge aus dem Stabilisierungsprogramm und verhandelt darüber mit der Bundesregierung. Wann es dazu kommt, ist allerdings noch nicht klar. Andere Unternehmen wie Lufthansa und TUI, die sich vom Staat wieder abgenabelt haben, bereiteten ihren Aktionären beim Kurs durch Kapitalerhöhungen wenig Freude. Auch Unipers Anteilsschein reagierten auf die Milliardengewinne daher recht verhalten. Das könnte – wie gesagt – Gründe haben.
(Quelle: comdirect, 1.8.23, https://www.comdirect.de/inf/aktien/detail/news_detail.html?NEWS_CATEGORY=EWF&NEWS_HASH=a02d5d66a9d74e07b767b7cb72431b9760ae94&OFFSET=0&SEARCH_VALUE=DE000UNSE018&ID_NEWS=1115087890&ID_NOTATION=170555637 und: https://www.uniper.energy/investors/reports-and-presentations )
Da bleibt eine Uniper-Aktie, die in Zukunft je Anteilsschein wenig verdienen dürfte, jede Menge teure Investitionen vor der Brust hat und mit Unsicherheiten zur Finanzierung belastet ist. Rechnen wir doch mal: vor all dem Durcheinander hat Uniper in normalen Zeiten so 600 bis 800 Millionen Euro verdient. Schwer zu sagen, ob und wie man da in den kommenden Jahren wieder anknüpfen kann. Aber nehmen wir doch mal als Top-Optimisten eine runde Milliarde Gewinn an. Dann sind das 12 Cents pro Aktie und der heutige Kurs würde dem 50-fachen Jahresgewinn entsprechen. Nicht eben wenig für ein Unternehmen mit solchen Unsicherheiten.