Lieber Leser,
jahrelang war für Immobilienbesitzer das Auslaufen einer Hypothek ein Freudentag. Dann konnten sie beim Bankbetreuer einen neuen Kredit abschließen und bekamen dabei einen niedrigeren Zinssatz. Der Grund: die Zinsen fielen seit der letzten Finanzkrise kräftig und damit auch die Effektivsätze der Immobilienkredite.
Beispiel: wer Mitte 2007 eine zehnjährige Hypothek auf sein Häuschen aufgenommen hatte, konnte im Juli 2017 mit fast dreieinhalb Prozent niedrigeren Zinsen rechnen. Schon bei 300.000 bis 400.000 Euro machte das mehr oder weniger einen Tausender aus – im Monat. Und selbst Anfang vorigen Jahres verblieb über das Jahrzehnt noch eine Verbesserung der Konditionen um über zwei Prozent (siehe rote Kurve in der nächsten Grafik unten).
Doch seit die Europäische Zentralbank die Leitzinsen kräftig angehoben hat, drehte sich der Effekt zunehmend um. Schon im September 2022 musste man erstmals beim Neuabschluss mit mehr Zinsbelastung rechnen als im Jahrzehnt zuvor und inzwischen dürfte der Aufschlag bei 1,3 Prozent liegen. Das ist noch nicht die Welt, aber für die zuvor verwöhnten Immobilienbesitzer ein Nachteil.
erdings Hypothekennehmer, die in der langen Niedrigzinsphase kürzere Laufzeiten wählten, weil sie anschließend mit noch besseren Konditionen rechneten. Wer Mitte 2018 eine fünfjährige Dauer vereinbarte, zahlt jetzt bei Neuabschluss gute zwei Prozent mehr. Seit Ende 2020 sind die Hypothekensätze gar um 2,7 Prozent gestiegen.
Kein Wunder daher, dass durch eine Kombination von abgeschreckten Käufern und Bauherren sowie bei der Vergabe vorsichtigeren Banken die Ausleihung von Wohnungsbaukrediten förmlich implodierte. Waren es im 12 Monatsschnitt (rote Linie) – der die wilden Schwankungen ausgleicht – Mitte vorigen Jahres noch 23 Milliarden Euro monatliche Neukredite, pendelte das im bisherigen Jahresverlauf 2023 zwischen 12 und 15 Milliarden Euro. Kleiner Unterschied.
So ergeben sich zwei Probleme. Können die Altschuldner die schlechteren Konditionen nach Ende der vereinbarten Laufzeit auffangen? Die Soliden wahrscheinlich schon, weil sie am Anfang bereits einiges Eigenkapital hatten und während der Laufzeit getilgt haben. Wer allerdings erst in den letzten Jahren auf Kante genäht finanziert und zudem auch noch kurze Laufzeiten gewählt hatte, dürfte es da schwerer haben.
Das zweite Problem ist, wie viele Käufer die heutigen Zinssätze abschrecken. Geht es nicht mehr allzu weit aufwärts, werden sich viele wohl wieder an die althergebrachten Verhältnisse erinnern und sich an das Niveau gewöhnten. Und die Zwischenzeit als ein Geschenk der Zentralbank an die Häuslebauer ansehen, was es ja – vielleicht ungewollt – auch gewesen ist. Kann doch nicht normal sein, dass man für eine Hypothek nur leicht über ein Prozentchen zahlen muss, während der Wert der Anschaffung munter nach oben hopst. So war das doch einige muntere Jahre lang.
Themenwechsel. Indikatoren gab es genug, aber was die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) jetzt als Kirchenaustritte 2022 sozusagen kirchenamtlich gemeldet hat, übersteigt doch noch mal alles Angedachte: in den 27 (Erz)Diözesen wurden 522.821 Austritte beklagt, ein neuer Rekord. Der „Marktanteil“ der katholischen Kirche sank nicht zuletzt dadurch mit 24,6 Prozent unter ein Viertel der Bevölkerung ab.
Nimmt man noch die evangelischen Kirchenaustritte hinzu, kommen für 2022 gut 900.000 „Glaubensflüchtlinge“ zusammen. Mehr gab es noch nie. Zum Vergleich: im vereinigten Deutschland lag der Tiefststand dafür 2006 bei rund 206.000 Austritten beider Konfessionen. Mit 47,5 Prozent zahlenden Gläubigen stellen die hiesigen Großkirchen keine Mehrheit an der hierzulande lebenden Bevölkerung mehr.
Über den weiteren Trend braucht man sich bei solchen Überschriften wohl auch keine große Gedanken machen.
(Quelle: Kölner Stadtanzeiger, 27.6.23, https://www.ksta.de/koeln/razzia-im-erzbistum-koeln-papst-haette-im-fall-woelki-laengst-handeln-muessen-599557 und: https://www.orden.de/presseraum/zahlen-fakten/statistik-maennerorden/ )
Bei solchen Zahlen fallen einem unheilige Sätze ein wie: „Der Letzte bläst die Kerze aus.“ Oder schlicht: „Requiem für Mutter Kirche.“ Wie da eine uralte Tradition dahinbröselt, sieht man auch an Schlaglichtern: die zwei kopfstärksten, katholischen Männerorden, die Benediktiner und Franziskaner, bringen es hierzulande zusammen nicht einmal mehr auf 1.000 Mitglieder. Alle deutschen Klöster hatten 2022 noch ganze 21 Novizen. Fatal, da die Hälfte aller 3.349 Ordensmänner schon im Rentenalter ist.