Liebe Leser,
allein seit September vorigen Jahres und allein im Handel mit Deutschland hat der Ukrainekrieg den Kreml in Moskaus schätzungsweise Exporteinahmen von fast 11 Milliarden Euro gekostet.
Wie komme ich auf diese Zahl? In normalen Jahren, also vor den Verwerfungen von Ukraineüberfall, vor allem aber auch Corona, führte die Russische Föderation von 2017 bis 2019 monatlich im Schnitt für 2,74 Milliarden Euro Waren – vor allem Energieprodukte – zu uns aus. Daran konnte sich in den ersten Wochen nach dem Überfall vom 24. Februar 2022 trotz bald ins Auge gefasster westlicher Sanktionen nicht schlagartig etwas ändern.
Zwar begannen die Einfuhren aus Russland bei uns zügig zu sinken, aber erst im September fielen sie unter den genannten Alt-Durchschnitt. Doch im 1. Quartal 2023 betrugen sie nur noch ein Fünftel dessen. Nimmt man den Rückgang der Monate seit September gegenüber den früheren Werten als Folge von Krieg, Sanktionen und Pipelineversiegen, dann kommt man auf 10,7 Milliarden Euro, also die eingangs genannten fast 11 Milliarden.
(Quelle: destatis, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/05/PD23_173_51.html )
Den deutschen Export in die umgekehrte Richtung hat die Abkühlung mit monatlich zuletzt einer guten Milliarde Euro zwar auch getroffen, aber das ist nur ein Bruchteil – knapp ein Prozent – der deutschen Gesamtausfuhren. Zur Erinnerung noch mal meine Lieblingstabelle zum Thema Ukrainekrieg, die nur bestätigte Verluste enthält. Läuft halt für Putin nicht alles so richtig nach Plan.
Themenwechsel. Erinnern Sie sich noch an den 22. März 2020? Der wäre Ihnen in jeder deutschen Stadt sofort auf den Straßen aufgefallen. Denn da begann der erste Lockdown in der deutschen Geschichte. Auf Kommando hatten zum Beispiel alle Geschäfte zu. Wer bis dahin noch nichts von Corona gehört hatte, konnte sich nun nicht einmal mehr eine neue Unterhose kaufen. Dieser Zustand sollte bis zum 4. Mai dauern.
Das ulkig klingende: in dieser hochsensiblen Zeitspanne, als praktisch niemand an etwas anderes denken konnte als die Seuche, infizierten sich nach RKI-Angaben gut 136.000 Leute – nur 0,4 Prozent aller bisherigen Ansteckungen. Nun muss man bei Statistik immer genau auf die Zahlen schauen: mit den Tests war es in dieser Phase noch nicht allzu weit her und während der geschlossenen Läden starben immerhin gut 6.500 und damit 3,7 Prozent aller bisherigen Todesopfer. Und zudem wusste ja vom Arzt in der Provinz bis zum Gesundheitsminister Jens Spahn niemand, wie es weitergehen würde.
Während dieses ersten Lockdowns beschloss die Bundesregierung am 29. April 2020 auch die Maskenpflicht in allen Läden und beim Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Hinzu kamen – nur so zur Erinnerung – das Abstandsgebot von 1,50 Metern und Kontaktverbote sowie die heute eher umstrittene Schließung von Schulen und Kitas.
Aber wie auch immer man das im Rückblick einschätzt, die ganze Prozedur wurde in ähnlicher Form gut ein halbes Jahr später gleich noch mal wiederholt. Angesichts nach der Sommerpause wieder ansteigender Ansteckungen rief Bundekanzlerin Angela Merkel zunächst einen „Lockdown Light“ und später nochmals einen harten Lockdown aus. Am 2. November 2020 ging es „light“ los. Damit sollten die Infektionszahlen zum Weihnachtsfest verringert werden. Da das nicht gelang, wurden die Maßnahmen zu einem harten Lockdown verschärft.
Mit teils skurrilen Maßnahmen im Gepäck: so wurden private Zusammenkünfte auf zwei Haushalte mit maximal fünf Personen beschränkt. Ab dem 16. Dezember musste der Einzelhandel erneut dicht machen. Friseure blieben geschlossen, diesmal aber Schulen und Kitas zunächst geöffnet. Sie machten allerdings später auch wieder dicht. Das Homeoffice galt als Geheimwaffe im Kampf gegen den Virus. Die Gastronomie war geschlossen und durfte nur noch Essen ausliefern. Alkoholkonsum an öffentlichen Plätzen wurde untersagt. Die Gastronomie blieb ganze sieben Monate im Lockdown. Als der zweite Lockdown im Mai 2021 endete, hatte er eine fast sechs-monatige Unterbrechung des normalen Lebens bedingt.
Warum erzähle ich Ihnen diese ganze traurige Geschichte noch mal? Unter anderem deshalb, weil sie bei der Beurteilung von wirtschaftlichen Zeitreihen auch rückwirkend noch eine Rolle spielt, zumal danach auch noch die Wirrnisse mit dem Ukrainekrieg die Übersicht weiter erschwerten. Ich will Ihnen die Corona-Einflüsse mal an einem Beispiel deutlich zu machen versuchen, das sich jeder vorstellen kann. Es geht um Unterhaltungselektronik, die sie im Ladengeschäft kaufen können, also Fernseher, Radios usw.
Die gezeigte braune Kurve sind die monatlichen preisbereinigten Umsätze, was weitgehend der Zahl der verkauften Geräte entsprechen dürfte. Deren Verlauf habe ich in drei Abschnitte unterteilt und die jeweiligen Durchschnitte farbig eingefügt. Zunächst die normale Zeit vor Corona bis Februar 2020 mit rotem Durchschnitt. Dann die heiße Phase der Corona-Bekämpfung mit den zwei Lockdowns am Anfang und am Ende in blau. Und schließlich die Zeit danach, die vom schlechten Konsumklima angesichts der Kriegsbilder beeinflusst sein dürfte in grün.
(Quelle: WiWo, 6.1.22, https://www.wiwo.de/politik/deutschland/corona-lockdown-so-ist-der-zweite-lockdown-in-deutschland-verlaufen/27076474.html und: 21.2.22, https://www.wiwo.de/politik/deutschland/corona-wie-verlief-der-erste-lockdown-in-deutschland/26853384.html )
Und das Ergebnis ist für mich etwas verblüffend gewesen. Abseits der extremen Schwankungen, die schon saisonbereinigt sind, blieb der Verkauf im Schnitt relativ unverändert. Ab Mai 2021 lag der Durchschnitt gar allen zwischenzeitlichen Widrigkeiten zum Trotz 3,5 Prozent höher als vor der Pandemie. Man darf ja nicht vergessen: zwar sind die Folgen von Corona heute weit übersichtlicher als in den heißen Zeiten, aber noch immer sterben täglich im Schnitt 60 Menschen daran (ja liebe Skeptiker, an und mit Corona).
Trotz alledem ein schönes Wochenende