Liebe Leser,
Schnäppchenjäger müssen jetzt ganz tapfer sein, wenn die Prognose von Sebastian Ebel (Jahrgang 1963), Chef des Touristikkonzerns TUI, zutreffen sollte: er hält die Zeit der Billigflüge endgültig für vorbei und hat vor hohen Preisen bei Spontanbuchungen im Sommer gewarnt. Der Mann scheint aus Erfahrung zu sprechen, sein Reiseriese verzeichnet im ersten Sommer nach Ende der Corona-Pandemie eine außergewöhnlich hohe Nachfrage, so Ebel in der „Bild am Sonntag“. Am besten sei Griechenland gebucht, in manchen Urlaubsorten gebe es fast keine freien Hotelbetten mehr.
Daher soll es in dieser Reisesaison keinen „Last-Minute-Sommer“ geben wie in früheren Jahren. Im Gegenteil: „Die Preise werden kurz vor Abflug eher höher als günstiger sein, weil auch die Hoteliers und Fluggesellschaften wissen, dass kurzfristig immer noch viel gebucht wird“, warnt Ebel. Bei Flugreisen komme zudem noch die Reduzierung der Kapazitäten an Flughäfen hinzu. Die Nachfrage nach Urlaubsflügen übersteige das Angebot.
(Quelle: WELT, 7.5.23, https://www.welt.de/wirtschaft/article245204476/Last-Minute-Reisen-Laut-TUI-Chef-ist-die-Zeit-der-Billigfluege-vorbei.html und: Barrons, 5.5.23, https://www.barrons.com/articles/booking-expedia-stock-sales-76e26fe?mod=Searchresults )
Nun kann man als skeptischer Mensch an der Prognose eines Reiseveranstalters zweifeln, weil solche Unternehmen ein Interesse an wenig Rabatten, früh buchenden Touristen und angeblich knappen Märkten haben müssen. Deshalb ist ein Blick auf die letzten Quartalsergebnisse der Buchungsfirmen wohl kein Fehler. Ergebnis: Booking Holdings und Expedia scheinen die Ebel-Eindrücke zu bestätigen. Beide meldeten starke Einnahmen im ersten Quartal, da die Buchungen angesichts der robusten Reisenachfrage stark anstiegen.
Offenbar wollen die Menschen trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten weltweit wieder mehr reisen. Bei Expedia stiegen die Buchungen im Startquartal um ein Fünftel und die Nachfrage nach Unterkünften erreichte einen absoluten Rekord. „Im ersten Quartal war eine starke Reisenachfrage zu verzeichnen, die durch zunehmende internationale Reisen, Reisen in Großstädte und die Wiedereröffnung in Asien angetrieben wurde“, erläuterte CEO Peter Kern. Booking verzeichnete im Jahresvergleich gar einen Anstieg der Reisebuchungen um 44 Prozent und erreichte ebenfalls einen Quartalsrekord beim Umsatz. Dazu passt dann auch noch, dass der weltweite Flugverkehr wieder auf die Vor-Corona-Verhältnisse zusteuert.
(Quelle: destatis Dashboard, https://www.dashboard-deutschland.de/indicator/tile_1667989324139?origin=dashboard&db=branchen&category=konjunktur_wirtschaft )
Themenwechsel zu einem anderen Bereich, der bislang nicht unter Unsicherheiten zu leiden scheint: Unternehmen, die an der globalen Energiewende verdienen. Einen Anhaltspunkt liefern die Investitionen in diesen Sektor. Den Private Equity-Fonds flossen letztes Jahr nach Berechnungen der Beratungsfirma McKinsey nach dem 2021-er Rekord global gut 15 Prozent weniger neue Mittel zu. Im Gegensatz dazu ließen die Investoren in dem Bereich, der mit Klimawandel zu tun hat, noch einmal mehr Geld springen.
(Quelle: McKinsey, https://www.mckinsey.com/featured-insights/sustainable-inclusive-growth/chart-of-the-day/private-equity-slows-its-roll )
Gesetzliche Vorgaben und geplante üppige Subventionen, etwa in den USA, erhielten hier die Zuversicht. Allein der US Inflation Reduction Act (IRA) stellt mehr als 370 Milliarden US-Dollar zur Eindämmung des Klimawandels bereit, während der EU Green Deal potenziell mehr als eine Billion Euro an öffentlichen und privaten Mitteln freisetzen soll. Folge: auch 2022 wurden noch einmal sieben Prozent mehr neue Mittel in die Fonds investiert, ein Trend, der sich nach Beobachtungen von McKinsey auch 2023 fortsetzen soll.
(Quelle: McKinsey, https://www.mckinsey.com/featured-insights/sustainable-inclusive-growth/chart-of-the-day/~/link.aspx?_id=31BB954BB373480DA103FBBD464E2978&_z=z )
Themenwechsel. Ist schon erstaunlich, wie sich die sich Deutschen zwischen dem hehren Anspruch und der rauen Wirklichkeit winden. Egal welche Umfrage, wenn man sie fragt, ob Klimaschutz wichtig, mehr Engagement gefragt ist, sind die meisten Feuer und Flamme. Wenn dann Ideen auftauchen, die einen auch persönlich was kosten, schwindet die Begeisterung schnell dahin.
Aktuelles Beispiel: bei jedem zuhause wird geheizt und damit würden die Pläne des Wirtschaftsministeriums zu anderen Heizungen und Dämmung der Häuser direkt oder indirekt auf Sicht jeden treffen. Und schon ist es mit der Umweltbegeisterung vorbei. Das scheint jetzt auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Jahrgang 1969) zu spüren: „Das sind jetzt die unangenehmen Sachen“, erklärt er einem Interviewer von der WELT. „Aber für die unangenehmen Sachen bin ich Minister geworden.“ Er meint: war doch klar, dass es Ärger gibt, wenn endlich einer mit der Energiewende Ernst macht.
Sinkende Umfragewerte ließen ihn natürlich nicht kalt, aber wenn sich Politik nur nach Umfragen richten würde, dann würde nie eine schwierige Entscheidung getroffen, philosophiert er in einem anderen Pressegespräch. „Wir haben so viele Jahre verloren. Sie wurden auch nicht angegangen die schwierigen Fragen, weil man Angst vor Umfragen hatte und vor Wahlniederlagen und vor persönlichen Verlusten.“
Den beleidigten Rückzug auf das eigene grüne Milieu sieht er als größte Gefahr für die Ökopartei. Sie gefährde die Mehrheitsfähigkeit: „Mein Amtsethos ist, eine gewisse Form von Angreifbarkeit zuzulassen. Ich will für Kritik erreichbar bleiben.“ Währenddessen werden die Kritiker massiver, wie die folgende Darstellung andeutet.
(Quelle: WELT, 5.5.23, https://www.welt.de/politik/deutschland/plus245179758/Robert-Habeck-Jetzt-leidet-er-wirklich.html? Und: Mannheimer Morgen, 7.5.23, https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-habeck-nennt-heizungsplaene-meilenstein-in-der-klimapolitik-_arid,2081103.html?utm_source=civey&utm_medium=new_poll_card )
Ich bin mal gespannt, wie lange Habeck an seinem Mastermind, dem inzwischen reichlich umstrittenen Staatssekretär Patrick Graichen (Jahrgang 1972) festhalten wird, an dem inzwischen das böse Etikett Vetternwirtschaft klebt. „Nach den Regeln des politischen Berlins ist die Entlassung fast zwingend. Die Opposition fordert sie schon. Und jetzt auch Medien, die Habeck noch vor wenigen Wochen fast als politischen Messias gefeiert haben“, glaubt der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung WELT, Robin Alexander (Jahrgang 1975), der letzte Woche mit Habeck gesprochen hat. Schauen wir mal.