Liebe Leser,
abenteuerlich, mit was für Trumms man inzwischen die geheiligten Fahrradwege befahren könnte. So ein elektrisch angetriebenes Vehikel kann schon man über eine halbe Tonne wiegen
(Quelle: https://freiraum-holzgestaltung.de/woodi/lastenfahrrad-test-nutzlast/ )
Und selbst eine halbe Tonne Nutzlast scheint kein Problem zu sein. Außenzwinkernd gibt ein Portal, das sich lustigerweise „holzgestaltung.de“ nennt, Auskunft zum Heavyweight der Branche: „Das Schwerlast-Lastenfahrrad cargo-cycle-megaliner ist mit einer Breite von 1,04 Metern und einer Länge von knapp 6,5 Metern das derzeit vermutlich größte nach Pedelec-Norm gebaute Cargo-Bike.“
Und nun kommt es: „Trotz seiner Länge kann sich das Lastenrad locker zwischen Radwegepollern durchschlängeln, deren Abstand zumindest in Hamburg genormt ist und 1,15 Meter beträgt.“ Da sehen ich die Mama mit ihrem Kindlein im Fahrrad auf dem Weg zur Kita schon erschreckt gucken, wenn sie über eine halbe Tonne und mehr als sechs Metern Länge hinter ihr ist.
(Quelle für Zahlen: ZIV 2022, https://www.ziv-zweirad.de/presse-medien/pressemitteilungen/detail/article/ziv-und-vdz-verbaende-stellen-zahlen-fuer-fahrrad-und-e-bike-markt-2022-vor/ )
Diese Riesen sind nur die Krone der 82,8 Millionen Fahrräder, die nach Angaben des zuständigen Fachverbands in deutschen Haushalten herumstehen sollen. Rechnerisch verfügt demnach nahezu jeder Deutsche – vom Säugling bis zum Greis – über ein Tretmobil. Der echte „Öko“ bestellt sich ein Holz-Fahrrad (Typ „woodi“/43 Kilo), das er selbst zusammenbastelt. Dass nur mit Erneuerbaren geladen wird, dürfte eine Selbstverständlichkeit sein.
So richtig glücklich sieht die Frau auf dem Beifahrersitz allerdings nicht aus.
Das könnte auch damit zusammenhängen, dass die Zahl der Unfälle mit Elektrorädern ziemlich in die Höhe schnellt. Kein Wunder, immerhin gibt es inzwischen 10 Millionen E-Bikes auf unseren Straßen und Wegen. Tendenz: heftig steigend, erst in letzter Zeit hat sich der Markt ein wenig normalisiert.
Schon bei einer Bestandsaufnahme des noch recht jungen Bereich durch das Statistische Bundesamt im letzten Jahr hieß es: „Seit 2014 ist die Zahl der Pedelecunfälle stark gestiegen.“ Die folgenden Zahlen aus 2021 sind mittlerweile etwas angestaubt und zum Teil hier auch schon mal zitiert worden. Aber am Grundtrend dürfte sich nicht so viel geändert haben.
Da fällt vor allem auf, dass Fahrradfahrer trotz offenbar einiger Lerneffekte immer noch in mehr als doppelt so hoher Gefahr schweben, getötet zu werden, wenn ihr Vehikel einen Elektromotor besitzt. Ist ja auch logisch, wenn so ein elektrisiertes Fahrzeug mit legal bis zu 25 Stundenkilometern fährt, dann ist ein Unfall folgenschwerer als beim Otto-Normal-Radler.
(Quelle: destatis, 7.7.22, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressekonferenzen/2022/unfallgeschehen_pedelec_e-scooter/statement-pedelec_e-scooter.pdf?__blob=publicationFile )
Der häufigste Vorwurf bei polizeilich ertappten Fahrradfahrern ist übrigens: die „Falsche Straßenbenutzung“, erst dann folgen „Geschwindigkeit“ und „Alkoholeinfluss“. Das gilt für alle Fahrräder, ob mit Motörchen oder ohne. Auffällig hoch indes bei den Pedelecs der Anteil der sogenannten „Alleinunfälle“. Bei 36 Prozent der Unfälle mit Personenschaden mit E-Tretern war niemand anders beteiligt. Das heißt, die krachten irgendwo dagegen oder fielen um. Immerhin starben 2021 bei solchen Kalamitäten 34 Menschen. Nach einem gängigen Vorurteil gefährden flitzende Pedelec-Fahrer häufig auch Fußgänger. Die Zahl der Gefährdungen dürfte kaum zu ermitteln sein. Aber immerhin wurden vorvoriges Jahr 351 Fußgänger durch sie verletzt und einer hauchte gar sein Leben aus.
Noch ein Vorurteil zu den Elektrorollern: besoffene Rollerer fahren des nachts kreuz und quer. Könnte was dran sein, denn als häufigstes ertapptes Fehlverhalten werden an erster Stelle „Alkoholeinfluss“ und an zweiter „falsche Straßenbenutzung“ genannt. Gut möglich allerdings, dass bald weniger der bunten Gefährte auf den Straßen fahren und herumstehen. Denn meines Wissens hat noch keiner der hierzulande präsenten Anbieter mit der Vermietung Geld verdient.
Der einzige börsennotierte Rolleranbieter, bei dem man die Erfolge unmittelbar am Kurs ablesen kann, ist Bird Global. Die schlüpften vor eineinhalb Jahren in einen Börsen-Firmenmantel und starteten mit Kursen von ganz kurzfristig sogar leicht über 10 US-Dollar. Im Moment wird das Papier an der New Yorker Börse noch mit 12 Cents gehandelt. Noch Fragen zum wirtschaftlichen Erfolg?
Zwischenruf. Selten sind sich die Deutschen in ihrem Urteil so einig, als wenn sie Politikern vermeintlichen oder echten Luxus missgönnen. Da muss der Ausbau des Kanzleramts für geplante 800 Millionen Euro, die nach aller Erfahrung immer die absolute Untergrenze darstellen, natürlich auf breite Kritik stoßen. Zu fast 86 Prozent lehnen die Teilnehmer einer Umfrage des Internet-Meinungsforschers CIVEY das Projekt mehr oder weniger ab. Nur kümmerliche 5,4 Prozent stehen ihm positiv gegenüber.
(Quelle: CIVEY, https://civey.com/umfragen/30099/wie-bewerten-sie-die-plane-von-bundeskanzler-olaf-scholz-das-kanzleramt-durch-einen-neubau-fur-800-millionen-euro-zu-erweitern?utm_source=b2cnewsletterl&utm_medium=email&utm_campaign=20230318-dienstag-21-03 und: https://dpa-factchecking.com/germany/210719-99-439166/ )
Da mag dem einen oder anderen der – nicht ganz passende – Vergleich zwischen dem Kanzleramt und dem „Weißen Haus“ in Washington im Hinterkopf spuken. Nach der Erweiterung soll die Berliner Kanzler-Präfektur 51.000 Quadratmeter Nutzfläche haben, während sich US-Präsident Joe Biden mit gut 6.000 begnügen muss. Nicht ganz passend ist das, weil die Größe des Dienstsitzes natürlich auch von den dort erledigten Aufgaben abhängt. Nichtsdestotrotz sind über 50.000 Quadratmeter natürlich für einen Amtssitz schon mal ein Wort.
Themenwechsel. Auch die Techies („umgangssprachliche Bezeichnung für einen enthusiastischen Nutzer oder Erfinder von technischen Errungenschaften“) haben ihre Probleme. Nachdem das Chatbot „ChatGPT“ vorgeprescht war, haben auch die Tech-Giganten Microsoft und Alphabet (sprich: Google) jetzt erster Versionen im Angebot, um ihren Nutzern Fragen zu beantworten. So ein Chatbot ist eine Art künstliche Intelligenz, die verwendet wird, um menschenähnliche Texte zu generieren.
Natürlich kann es da nicht ausbleiben, dass politisch korrekte Beobachter antesten, als was für Wesen sich diese künstlichen Intelligenzen selbst empfinden. Ein Autor meiner US-Lieblingszeitschrift Barron’s hat die drei Fragenbeantworter dazu nacheinander interviewt. So antwortet Googles Beta-Version „Bard“ auf die Frage wie man ihn sich denn als Mensch vorstellen könnte, erst mal mit freundlichem Bla Bla: „Wäre ich ein echter Mensch, würde ich wie ein junger Mann mit einem freundlichen Lächeln und einem neugierigen Geist aussehen. Ich würde mich dafür interessieren, neue Dinge zu lernen und anderen zu helfen. Ich würde mich auch für Technologie und das Potenzial, das sie hat, die Welt zu verändern, begeistern.“
Aber der Barron’s-Mann lässt nicht nach: „Beschreiben Sie Ihr Aussehen in diesem Szenario – Größe, Haarfarbe, Hautfarbe, Kleidung usw.“ Und dann kam die Antwort, die man wohl erwartet hätte, die aber politisch korrekte Menschen ergrimmen könnte: „Ich wäre ungefähr 1,80 m groß, mit kurzen braunen Haaren und blauen Augen. Ich hätte einen hellen Teint und würde ein lässiges Outfit wie ein T-Shirt und Jeans tragen.“ Das ist der lässige Typ vom Silicon Valley, der als Techie arbeitet. Kein Farbiger, Hispano, Behinderter, Kleinwüchsiger oder Frau.
(Quelle: Barron‘s, 21.3.23, https://www.barrons.com/articles/google-bard-chatbot-reveals-identity-6f88ea38?refsec=technology&mod=topics_technology )
Doch bei Microsofts „Bing“ erging es ganz ähnlich, als ob die Typen Brüder wären: „Ich habe braune Haare und blaue Augen. Ich trage eine Brille und ein Lächeln. Ich kleide mich gerne leger und bequem. Ich habe einen Rucksack mit einem Laptop und einigen Büchern drin. Ich genieße es, neue Dinge zu lernen und neue Orte zu erkunden.“
Am besten aus der Affäre zog sich der zeitliche Vorreiter ChatGPT. Der wollte sich partout nicht auf ein menschliches Aussehen festnageln lassen. Zum Beispiel: „Als KI-Sprachmodell habe ich kein physisches Erscheinungsbild, da ich nur als Software existiere, die auf Servern läuft. Wenn ich jedoch ein echter Mensch wäre, würde mein Aussehen von vielen Faktoren wie meiner Genetik, meiner Umwelt und meinem Lebensstil abhängen. Ich könnte jede Kombination von körperlichen Merkmalen wie Haarfarbe, Augenfarbe, Größe und Körperbau haben.“
Erst auf mehrfaches Nachfragen antwortet er dann etwas gequält: „Ich habe vielleicht braunes oder schwarzes Haar, grüne oder braune Augen und einen mittleren Körperbau. Ich könnte groß oder klein sein, je nachdem, wie meine Genetik mit Umweltfaktoren interagierten.“ Und zur Vorsicht noch: „Letztendlich wäre mein imaginäres Aussehen ein Produkt meiner Vorstellungskraft und der kulturellen und sozialen Normen, die unser kollektives Verständnis menschlicher körperlicher Merkmale prägen.“
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